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Spenden-Rituale durchbrechen! Dieses Weihnachten keine Kinderpatenschaft!

Ich freue mich sehr über diesen Gastbeitrag des von mir sehr geschätzten Wissenschaftlers und Bloggers Dr. Tobias Denskus (@aidnography). Tobias bloggt üblicherweise auf Englisch, umso mehr freue ich mich über sein Angebot, einen Beitrag auf Deutsch für meinen Blog zu verfassen. 

Mit der Weihnachtszeit beginnt wie jedes Jahr wieder das Jahresend-Spendenfieber diverser entwicklungspolitischer Organisationen. Und da um Weihnachten Traditionen und Rituale besonders groß geschrieben werden, suggerieren die Organisationen dann immer in besonders großem Umfang, dass sich in entwicklungspolitischer Kommunikation nichts verändert hat: Weiße-Menschen-machen-was-mit-lachenden-schwarzen-Kindern. Letztes Weihnachten zeigte das Bundesministerium für Entwicklung unter Dirk Niebel eindrucksvoll, wie man im Zweifelsfall platte christlich-abendländische-Rundhütten-Afrika-Romantik hervorzaubern kann, wenn es um Weihnachten geht.
Und an der schwedischen Universität an der ich arbeite, wurde um Elektroschrott, äh, Elektrogeräte-Spenden für ein afrikanisches Land gebeten. Derartige Spenden landen am Ende eher auf den giftigen Müllhalden Afrikas als auf dem Gabentisch, wie ein UNO-Bericht schon vor Jahren anmerkte.

Auch die aktuell kontroversen Debatten um Bob Geldofs #BandAid30 Lied oder Save The Childrens Preis für den ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair zeigen, dass es sich hierbei um ein globales Phänomen handelt: Um Weihnachsspenden einzufahren, darf man auch die konservativsten Motive noch einmal wiederbeleben. Kinderpatenschaft, Prominente, irgendwas mit afrikanischen Frauen-die Botschaften sind immer ähnlich klassisch-einfach gestrickt.

 ‘Irgendwas machen ist immer besser als nichts zu machen’

Das Totschlagargument zieht natürlich bei jeder Kirchen-Kleidersammlung und Spendenkampagne für eine Kleinst-NGO die ‘alle Spenden direkt’ nach Afrika schickt. Aber wie der bekannte Entwicklungsblogger ‘J.’ beschreibt, gibt es immer schiefe Argumente für schlechte Projekte.

Damit das ‘irgendwas machen ist besser als gar nichts zu machen’ Argument funktioniert muss man Hilfsquantität vor –qualität stellen: Menge und Aufwand machen Hilfe nachhaltig, nicht Qualität, Kontextbezug oder gutes technisches Management.

Gerade zur Weihnachtszeit, wo man sich gerne an die ‘guten, alten Zeiten’ erinnert ist es wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass die gute, alte EntwicklungsHILFE heute eine professionelle Industrie ist-mit all ihren Vorteilen und Herausforderungen: Entwicklungszusammenarbeit sollten Profis machen die in komplexen Zusammenhängen arbeiten können. ‘Aber könnte man nicht einfach…?’-Nein, kann man meistens nicht. Jedes lineare Hilfsmuster (‘Kinder in Schulen schicken-Armut vermindert’, ‘Frauen fördern-Wirtschaft wächst’) kommt mit großen ‘Ja, aber…’ Antworten.

Also lieber gar nicht spenden?

Natürlich sind die humanitären Krisen z.B. in West-Afrika und dem Nahen Osten real-und sie sind nicht ausreichend finanziert, wie der gegenwärtige Aufruf des UN-Systems verdeutlicht. Dazu kommen natürlich noch die sogenannten ‘vergessenen’ Krisen in Süd-Sudan oder im Tschad, die es nicht auf die Weihnachtsagenda und in die Jahresrückblicke schaffen.

Pauschale Urteile helfen generell nicht weiter: Kleine Organisationen sind nicht automatisch ‘besser’ als die großen Spieler, die, so man den stereotypischen Kritiken Glauben schenken soll, natürlich hauptsächlich in ihren klimatisierten Büros und Jeeps sitzen. Leider machen uns die großen, traditionellen Weihnachtskampagnen etwa so träge wie die familiäre Weihnachtsgans am 25. Dezember und suggerieren Abkürzungen und klare Antworten auf klare Zustände von ‘Armut’ und ‘Unterentwicklung’.

Persönlich freue mich über eine besondere Art zu ‘spenden’: Dem spenden von Zeit. Mit syrischen Flüchtlingen sprechen, jemanden aus dem Bekanntenkreis der Entwicklungszusammenarbeit beruflich macht einladen, zu einer Dokumentarfilm Aufführung mit entwicklungspolitischem Bezug gehen-zuhören, nachdenken, nachfragen und mitreden.

Und wenn es doch Geld sein soll?

Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich mich beruflich mit entwicklungspolitischer Kommunikation auseinandersetzen darf. Mir fallen Ärzte ohne Grenzen und medico international auf, weil sie selbstkritisch und politisch arbeiten-und dabei immer die Situation ‘im Feld’ im Blick haben. Auch das wachsende Ingenieure Ohne Grenzen Modell verfolge ich mit Interesse, weil es interessante Ansätze von ‘traditioneller’ Freiwilligenarbeit mit technologischen Innovationen verbindet und Studierende aus technischen Disziplinen mit globalen sozialen Herausforderungen konfrontiert.

Das ist bei weitem keine vollständige Liste-es müssen eben keine Spenden für Organisationen sein, die die Innenstädte zu plakatieren und auf unkritische Weihnachtsspender setzen, oder an Organisationen die ‘alles’ besser machen wollen. Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit brauchen kritisches Nachfragen und den Dialog-‘laute’, kritische Diskussionen zu Krisen, Konflikten und Brennpunkten sind mehr Wert als ‘leises’, schuldbewusstes Spenden, weil man ganze Kontinente für arm und unterentwickelt betrachtet.

 

Dr. Tobias Denskus ist Dozent an der Hochschule in Malmö, Schweden wo er gegenwärtig den Master-Studiengang ‘Communication for Development’ leitet. Er bloggt als ‘Aidnography’ auf Englisch und forscht aktuell zu neuen und sozialen Medien in der Entwicklungspolitik.

 

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