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Nachgereicht: So war’s im Süd-Sudan

Jetzt bin ich schon über zwei Wochen zurück und habe noch nicht, wie zuvor versprochen, über den Süd-Sudan berichtet.

Süd-Sudan, krasse Erfahrung war das. Selten habe ich während einer Reise so oft gedacht „Zum Glück muss ich das so bald nicht wieder machen.“ Aber gleichzeitig war ich auch öfters ein wenig wehmütig, da dies vermutlich meine letzte Afrika-Reise für dieses Jahr gewesen sein wird.

Der Süden des Sudan befand sich über Jahrzehnte im Bürgerkrieg mit dem Norden. Wer sich im Detail dafür interessiert, der findet hier den entsprechende Wikipedia-Eintrag.

Laut der Hilfsorganisationen-Terminologie befindet sich der Süd-Sudan inzwischen in der Phase des Wiederaufbaus  (reconstruction), was ein süd-sudanesischer Kollege folgendermaßen kommentierte: „Welcher Wiederaufbau? Hier wurden nie irgendwelche Strukturen aufgebaut, daher muss hier komplett von vorne begonnen werden, hier kann nichts „wieder“ aufgebaut werden.“

Das Land wird, nach der Unabhängigkeit, die am 9.7. dieses Jahres gefeiert werden wird, einen sehr, sehr langen Weg vor sich haben, bis auch nur einige der Ziele („Entwicklung“, höherer Lebensstandard für die Bevölkerung, verbesserte sanitäre Versorgung, etc.) erreicht sein werden. In vielen Medienberichten während der Zeit des Referendums war zu lesen, dass das Land insgesamt nur über 70 km geteerter Straßen verfügt. Vermutlich stimmt das auch, nur einige Straßen in und nahe bei Juba, der Hauptstadt, waren geteert, der Rest war Staub- und Schlaglochpiste. Die Hauptverkehrswege von Juba Richtung Süden schienen recht gut befestigt zu sein, wir waren einen halben Tag jedoch auf Nebenstrecken unterwegs, die nach mehrtägigen Regenfällen längere Zeit unpassierbar sein dürften.

Mir ist aufgefallen, dass in den ländlichen Gegenden so gut wie keine Steinhäuser stehen; wenn doch, sind es zumeist neue Verwaltungsgebäude (ich habe mich sicherheitshalber an das strenge Fotografieverbot gehalten), neue Schulgebäude (von NGOs erbaut) oder die Büros von Hilfsorganisationen. Sonst sieht man fast ausschließlich Lehmhütten. Das kenne ich nicht aus dem Nachbarländern, die ich bisher bereist habe.

Es muss eine vollkommen neue Verwaltungsstruktur aufgebaut werden, und das in einer Gesellschaft, die nach Jahrzehnten des Krieges keine Strukturen gewohnt ist. Spürbar ist das auch in der täglichen Arbeit. Viele Vorgänge benötigen viel mehr Zeit als sonst, selbst einfache Arbeitsabläufe sind nicht routiniert (bei Plan gibt es z.B. viele standardisierte Vorgehensweisen rund um Besuche aus dem Ausland, das lief hier weniger reibungslos ab als anderswo) – aber es ist auch mehr als verständlich, dass es hier einfach Zeit und Übung bedarf, bis sich die Dinge eingespielt haben werden.

Man fragt die Menschen natürlich nicht direkt nach ihren Erlebnissen im Krieg, aber man kann vermuten, dass viele, denen man im Lauf seines Aufenthaltes begegnet, Schreckliches erlebt und mit angesehen haben müssen. Nicht alle haben den Krieg im eigenen Land erlebt, viele sind in den Norden oder in Nachbarländer geflohen, nicht wenige  dort in Flüchtlingslagern zur Welt gekommen und nun zurückgekehrt, um am Neuanfang im Süden mitzuwirken. Ein Kollege erzählte mir, dass das Gewaltpotenzial unter den Menschen sehr hoch ist, selbst Konflikte unter Kollegen arten gelegentlich gefährlich aus. Eine weitere Herausforderung in diesem Arbeitsumfeld.

Ich hatte jedoch den Eindruck, dass eine besondere Aufbruchstimmung unter den Menschen herrscht, viele freuen sich derzeit auf dem Unabhängigkeitstag am 9.7., der ein Neuanfang für das Land sein wird. Der Sudan bezieht einen Großteil seiner Einnahmen aus dem Export von Öl. Öl, dass zum größten Teil in Regionen gefördert wird, die zum Süden gehören. Eine erste Herausforderung des Süd-Sudan sowie der Beziehung des künftigen neuen Staates zum Nord-Sudan wird sein, die Ölförderung und die Verteilung der Einnahmen neu aufzuteilen. Das Öl wird über Pipelines, die nach Norden verlaufen, exportiert, was bedeutet, dass die Staaten hier kooperieren und Kompromisse finden müssen. Vermutlich eine gr0ße Herausforderung.

Vielleicht noch kurz zu meinem Besuch: Ich war die meiste Zeit im Büro in Juba, da wir gemeinsam einen Bericht erstellen mussten sowie uns mit Geberrichtlinen beschäftigt haben. Ja, zu unseren Jobs gehört eine Menge Schreibtischarbeit… für anderthalb Tage besuchten wir dann einige Projektstandorte – eigentlich nur zwei, es waren mehr geplant, aber dazu kam es nicht, weil:

– wir mit mehrstündiger Verspätung aus Juba aufbrachen (eine Mitfahrerin hing in einem anderen Termin fest; wir mussten Essen und Trinken für die Fahrt besorgen; nebenbei erfuhr ich, dass wir über Nacht bleiben würden und musste noch meine Zahnbürste aus dem Hotel holen; auf halbem Weg aus der Stadt merkte der Fahrer (der mit dem Fahrzeug „gemietet“ worden war und nicht zu Plan gehörte), dass er keinen Sprit mehr im Tank hatte, was ein sehr umständliches Hin- und Her wegen nicht vorhandener Tankkarte, die erst besorgt werden musste…. bedeutete)

– nach der Übernachtung in Yei am nächsten Morgen das Auto nicht mehr ansprang und wir (zwei Gruppen zu je drei Leuten, die zu unterschiedlichen Terminen mussten) nach einiger Zeit ein Ersatzfahrzeug, ein ganz normales Taxi, auftrieben, das dann unsere Gruppe in einem Ort absetzte, die anderen zu ihrem knapp eine halbte Stunde entfernten Termin bringen und uns dann wieder abholen sollte. Das Taxi kam jedoch erst nach über drei (!) Stunden wieder, da der Fahrer inzwischen noch weitere zahlende Kunden woandershin gebracht hatte. Klar, kein Business darf ausgelassen werden. Wir warteten, nachdem unser Termin (uns bei der Distriktverwaltung vorstellen und schauen, welche Brunnen in der näheren Umgebung Instant gesetzt werden sollen), nach 30 Minuten zu Ende war, wir warteten also für über drei Stunden auf die Rückkehr des Taxis. Immerhin kam es noch.

– Mir nach dem Mittagessen plötzlich total übel wurde und ich schnellstens eine Latrine aufsuchen musste. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen fängt man sich unterwegs doch immer mal wieder etwas ein.

– Wir den Nachmittag dann in sehr unwegsamem Gelände unterwegs waren, was zugegebenermaßen mit zu den interessantesten Episoden der Reise gehörte – aber auch zu den gefährlichsten. Für westliche Afrika-Reisede stellen ja keineswegs Krankheiten das größte Todesrisiko dar, sondern der dortige Verkehr. Anders als am Tag zuvor waren wir diesmal mit einem Plan-Fahrer unterwegs und noch dazu mit einem, der sein Auto absolut beherrschte. Was auch unser Glück war, denn auf der einspurigen, sehr unübersichtlichen Piste kam uns einmal ein Pick-up mit sehr hoher Geschwindigkeit entgegen, der um ein Haar (und viel mehr war es wirklich nicht) frontal auf uns draufgeprallt wäre. Ich saß auf dem Beifahrersitz. Unser Fahrer konnte leicht nach rechts ausweichen, wo zum Glück kein Baum stand, der Fahrer des Pick-up konnte ebenfalls ausweichen, hätte sich fast noch überschlagen. Da atmet mal einmal ganz tief ein und wieder aus.

So ist das, wenn man in Afrika unterwegs ist. Und irgendwie immer wieder schön, trotz der Anstrengung und den manchmal nicht ganz ungefährlichen Verkehrsepisoden. Aber alles in allem überwiegt die Freude, Neues zu sehen und andere Welten kennenzulernen, diesmal immerhin das demnächst jüngste Land der Erde.

Kulinarisch kann ich übrigens keine neuen Erkenntnisse beitragen. Das Nationalgericht im Süd-Sudan ist Doura, eine Art Hirsebrei. Ich habe mich an gebratenen Fisch, gegrilltes Huhn und Kartoffeln gehalten, das war auch ganz lecker.

Hier einige Bilder. Wie immer habe ich wenig fotografiert, da ich es nicht mag, Menschen, die ich nicht kenne und die mich nicht kennen, mit der Kamera zu begegnen.

Blick vom Hotel in Yei auf einige Hütten nebenan. So sehen die Hütten in den ländlichen Gebieten auch aus.

Blick vom Hotel in Yei auf eine Straßenszene.

Mein Zimmer im „Twins Hotel“ in Yei. Falls mal jemand dort übernachten sollte: Kann man weiterempfehlen. Ich hatte sogar fließendes Wasser im Zimmer!

Auf Afrikas Straßen staubt es: Schaum aus meinen Haaren nach drei Stunden Autofahrt von Juba nach Yei.

 

Warten aufs Taxi: Hier, nahe bei einigen Mango-Bäumen, saßen wir im Schatten und warteten auf die Rückkehr unseres Taxis, das uns zum nächst größeren Ort bringen sollte.

Mein Zimmer im „Holiday Hotel“ in Juba: Die beste Internet-Verbindung, die ich je in Afrika hatte. Und die Küche ist auch nicht schlecht.

Das fällt positiv auf: Hier hat UNFPA ganze Arbeit geleistet – Kondom-Packung im Twins-Hotel.

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