Neueste Artikel

50 Jahre Tansania: Die Geschichte von Zawadi und Vanessa

Lange habe ich überlegt, was ich noch zum Thema schreiben könnte, bis ich auf einen interessanten Beitrag im Mikocheni-Report gestoßen bin (dessen Betreiberin Elsie Eyakuze im aktuellen East African außerdem einen leidenschaftlichen Love letter to Tanganyika veröffentlicht hat).

Elsie hat zuletzt über die kürzlich in Dar es Salaam abgehaltene TEDxDar-Konferenz gebloggt, u. a. über den Vortrag des Parlamentariers January Makamba, in dem dieser exemplarisch zwei Tansanierinnen gegenüberstellt: Zawadi und Vanessa. Diese exemplarische Illustration, die – mit Einschränkungen – auch auf viele Nachbarländer Tansanias übertragbar ist, zeigt wie unterschiedlich „Frau sein“ in Afrika heute aussieht.

Während Zawadi (zu dt. „Geschenk“) die „typische Tansanierin“ repräsentiert, steht Vanessa für die moderne Tansanierin, zugehörig zu jenen 20% des Landes, die die höchsten Einkommen erwirtschaften.

Zawadi ist 17, isst selten Fleisch oder Fisch, geht überallhin zu Fuß, hat kein Handy, aber sieben Geschwister, hatte mit 17,5 Jahren zum ersten Mal Sex, hat mit 19 einen 5 Jahre älteren Mann geheiratet, bekommt ihr erstes Kind mit 19,5, ihr letztes mit 36 Jahren und lebt in einer ländlichen Gegend als Kleinbäuerin.

Vanessa wiederum wird studieren, lebt in einem Haus mit 4 Schlafzimmern, fährt fast überall mit dem Auto hin, hat eine 78%ige Chance auf bezahlte Arbeit, besitzt mehrere Handys oder Smarthphones, hat den ersten Sex mit 18.5, schließt ihr Studium mit 21 Jahren ab, heiratet mit 23 einen 3 Jahre älteren Mann, bekommt dann ihr erstes und mit 32 Jahren ihr letztes Kind.

Während es im Vortrag darum ging, welche Auswirkungen auf das Konsumverhalten es haben würde, die Zawadis Tansanias auf eine Stufe mit den Vanessas zu bringen (etwa was Wasser- und Energieverbrauch betrifft), greife ich diesen exemplarischen Vergleich der beiden Frauen einfach einmal heraus, weil ich darin eine griffige Illustration sehe, um das europäische Bild der „afrikanischen Frau“ ein wenig zu ergänzen.

Das europäische Stereotyp der „afrikanischen Frau“ sieht diese arm, gebückt, mit vielen Kindern, unterdrückt und chancenlos. Das dies nicht so ist, damit beschäftigen sich EthnologInnen, z.B. schon recht lange (mein persönliches Aha-Erlebnis hierzu war Henrietta Moores 1986 veröffentlichte Studie  „Space, Text and Gender“  über die Marakwet in Kenia). Es lässt sich nicht abstreiten, dass viele afrikanische Frauen unter exremen Bedingungen leben, gleichzeitig aber sind die Lebenswelten der Frauen auch extrem vielschichtig.

Es gibt viele Zawadis, aber immer mehr Vanessas und noch viel mehr dazwischen. Ich selbst habe in Tansania zu einem verwandten Thema geforscht; darüber welches Potenzial die Zunahme von gemeinnützigen Organisationen für Frauen mit sich bringt. Viele Frauen gründen und betreiben sehr erfolgreich solche Organisationen und schaffen sich damit Bereiche der beruflichen Professionalisierung und Einkommensmöglichkeiten.

Meine Arbeit ist nun einige Jahre alt, aber ich denke, die Ergebnisse dürften immer noch haltbar sein: Frauen in Tansania und anderen afrikanischen Ländern erarbeiten sich auch hier immer mehr gesellschaftliche Teilhabe (neben ihrer ohnehin oft bedeutenden Rolle innerhalb der Familie).

Es ist daher sicher keine allzu kühne Vorausssage, davon auszugehen, dass in den meisten afrikanischen Gesellschaften der Anteil der Zawadis ab- und jener der Vanessas zunehmen wird. Was das wiederum für das Konsumverhalten und den Rohstoffverbrauch bedeutet, wird zu diskutieren sein – aber das sollte eigentlich eine Herausforderung sein, die man gerne lösen will, denn gerade in der Entwicklungszusammenarbeit wird man nicht müde zu betonen, welch‘ wichtige Ressource die Frauen sind. Ich denke, dass sich hier in den kommenden Jahren vieles tun wird – so, wie sich auch in den Jahren und Jahrzehnten bisher schon sehr viel getan hat.

Dennoch täten gerade die westlichen Organisationen und Medien gut daran, ihr Frauenbild einmal zu hinterfragen und Frauen nicht primär als passive Betroffene wahrzunehmen, sondern vielmehr als Akteurinnen, die gewillt sind, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen; die nicht als Opfer bemitleidet, sondern als Handelnde unterstützt werden wollen.

Tansania: 50 Jahre Unabhängigkeit

http://www.laenderservice.de/landkarten/afrika/tansania.aspx

Am 9. Dezember von 50 Jahren wurde das damalige englische Mandatsgebiet Tanganjika zu einem unabhängigen Staat. Dies nehme ich zum Anlass, in den kommenden Tagen ein wenig mehr über das heutige Tansania zu schreiben. Durch mehrere Forschungs- und Arbeitsaufenthalte kenne ich das Land recht gut, es ist somit auch Teil meiner eigenen Geschichte geworden und ich verfolge, zurzeit aus der Ferne, mit großem Interesse die Zeitläufte in dem Land am indischen Ozean.

Geschichte Tansanias im Schnelldurchlauf

Auf dem Gebiet des heutigen Staates Tansania liegt eine der sogenannten „Wiegen der Menschheit“: In der Olduvai-Schlucht, im Norden gelegen, wurden in den 1930er Jahren Fossilien von frühen Vorfahren des Menschen gefunden. Seit dem 1. Jahrtausend n. Chr. wanderten verschiedene Völker in das Gebiet ein, zunächst Bantu-Völker, deren Vorfahren vermutlich aus dem heutigen Kamerun stammen. Im 2. Jtsd. n. Chr. begann dann die Zuwanderung nilotischer Hirten.

Die Jahrhunderte der Migration und Vermischung prägen Tansanias  ethnische Zusammensetzung bis heute. Die heutige Bevölkerung von etwa 41 Millionen Menschen setzt sich aus rund 120 ethnischen Gruppen und ebensovielen Sprachen zusammen. Dank der Verkehrssprache Swahili, die neben Englisch Amtssprache ist und die fast alle TansanierInnen sprechen, ist die Verständigung der Menschen untereinander jedoch gut möglich.

Swahili-Kultur und Sklavenhandel

Weit mehr als über die Geschichte der Menschen im Inland des heutigen Tansania ist über die Historie der Küste bekannt. Die Swahili-Kultur, basierend auf einer Bantu-Ethnie, aber mit starken arabischen und auch persischen Einflüssen, prägt die tansanische Küste bis hoch nach Kenia über Mombasa bis zur kenianischen Insel Lamu sowie vor allem das Sansibar-Archipel (bestehend aus den Inseln Unguja (oft verkürzt als „Sansibar“ bezeichnet) und Pemba).

Bereits im 1. Jhd. n.Chr. existierten arabische Handelsposten an der Küste und im Lauf der Jahrhunderte siedelten sich arabische, persische und omanische Händler an der Küste sowie auf den Sansibar-Inseln an. Durch Vermischung mit der lokalen Bevölkerung entstand die Swahili-Kultur, deren materieller Reichtum auf dem Handel mit dem nahen Osten und Indien gründete.

Im 19. Jhd. wurde der Sklavenhandel zum einträglichsten Geschäft der Händler; eine der Hauptrouten der Sklavenhändler verlief von Bagamoyo an der Küste des indischen Ozeans über das heutige Tabora bis nach Ujiji am Tanganyikasee. Die Sklaven wurden bis nach Indien, Persien und in arabische Länder verkauft oder mussten auf den Plantagen in den französischen Kolonien La Réunion und Mauritius schuften sowie auf den Gewürznelkenplantagen der Inseln Sansibars.

1873 wurde der Sklavenhandel im indischen Ozean verboten, es dauerte jedoch noch mehrere Jahre, bis er tatsächlich zum Erliegen kam.

Schutzgebiet Deutsch-Ostafrika

1884 hatte der Deutsche Carl Peters 1884 begonnen, Verträge mit traditionellen Autoritäten abzuschließen, die darauf abzielten, ein Kolonialreich aufzubauen. Im Anschluss begann das Deutsche Reich, mit der britischen Krone Verträge über die jeweiligen Einflussbereiche in Ostafrika zu schließen und übernahm dann 1891 offiziell die Herrschaft des „Schutzgebietes Deutsch-Ostafrika“, das neben dem Festlandteil des heutigen Tansania die Gebiete Ruandas und Burundis umfasste.

Dies löste Widerstand unter der Bevölkerung auf. Am bekanntesten sind der Widerstand der Hehe unter Chief Mkwawa von 1891-1894 (in der Gegend um das heutige Iringa) sowie der Maji-Maji-Aufstand, der von 1905-07 im Süden des Landes tobte und als Höhepunkt des antikolonialen Wiederstandes in Tansania gilt.

Britische Verwaltung und Unabhängigkeitsbestrebungen

Während des 1. Weltkrieges kämpfte die Schutztruppe unter General von Lettow-Vorbek in Ostafrika, nach Kriegsende wurde das Gebiet des „Tanganyika Territory“ unter einem Völkerbundmandat Großbritannien unterstellt, was bedeutet, dass alle Rechte des Gebietes beim Völkerbund lagen und Großbritannien als Verwaltungsmacht eingesetzt war. Die Gebiete der heutigen Länder Ruanda und Burundi wurden unter belgische Verwaltung gestellt. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Gebiete zu UNO-Mandatsgebieten, als die UN die Rechtsnachfolge des Völkerbundes antrat.

Die zentrale Figur der Unabhängigkeitsbewegung und des frühen Nationalstaates ist Mwalimu Nyerere.  Der ausgebildete Lehrer (Swahili: mwalimu) Julius Nyerere hatte 1954 die Partei TANU (Tanganyika African National Union). Motto der Partei und bis heute Wahlspruch Tansanias ist Uhuru na Umoja – Freiheit und Einheit.

Nach Zugeständnissen im Hinblick auf eine beschränkte Selbstverwaltung durch die britische Verwaltung kann die TANU 1960 erfolgreich bei Wahlen antreten und schon 1961 wird Tanganyika unabhängig. Nyerere wird zum ersten Präsidenten gewählt und hatte dieses Amt bis zu seinem Rücktritt 1985 inne.

Auf dem Weg nach Tansania: Die Unabhängigkeit Sansibars

Die Verträge zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien aus den 1880er Jahren hatten das Sultanat Sansibar zum britischen Protektorat erklärt. 1963 wurde Sansibar unabhängig, mit der Staatsform der konstitutionellen Monarchie unter der Herrschaft des Sultans Jamshid ibn Abdullah. Nur einen Monat später brach die blutige Sansibarrevolution aus, in der tausende Araber und Inder umgebracht wurden. Es folgte die Ausrufung der Republik Sansibar und Pemba, die sich 1964 mit Tanganyika zur Vereinigten Republik Tansania zusammenschloss. Bis heute hat Sansibar innerhalb der Union große Autonomierechte inne.

Zum Weiterlesen:

Länderinformationsportal der AIZ zu Tansania (deutsch)

– Geschichte Tansanias auf der offiziellen Website der tansanischen Regierung (englisch)

– Ethnologue – Languages of Tanzania

Neues zu den Wahlen in der DR Kongo

Vor einer Woche hatte ich von den anstehenden Präsidentschaftswahlen in der Demokratischen Republik Kongo berichtet. Wie ist der Zwischenstand? Darüber einige kurze Bemerkungen – wer sich für Details interessiert, weiterlesen bei Kongo-Echo (deutsch), Congo Siasa oder BBC Africa  (beide englisch) oder Radio Okapi (französisch) .

Bis gestern waren rund die Hälfte der Wahlbüros ausgezählt, bisher führt Amtsinhaber Joseph Kabila vor dem aussichtsreichsten Herausforderer Etienne Tshisekedi mit über 2 Millionen Stimmen. Die staatliche Wahlkommission Ceni gibt die Ergebnisse schrittweise bekannt, allerdings nicht aufgeschlüsselt nach Wahlkreisen sondern nur nach Provinz.

Berichterstatter und Wahlbeobachter haben eine Reihe von Unregelmäßigkeiten im Verlauf der Wahl beobachtet.

Dazu gehören Wähler, deren Namen auf den Wahllisten fehlten, sodass sie nicht wählen konnten und die Tatsache, dass an mehrere Wahllokale angeblich Wahlurnen mit bereits ausgefüllten Wahlzetteln angeliefert wurden. Auch gibt es Berichte darüber, dass Besucher von Wahllokalen eingeschüchtert wurden oder keinen Zutritt zu Wahllokalen erhielten und in manchen Fällen sogar Sicherheitskräfte Einfluss auf das Wahlgeschehen nahmen, etwa in Masisi in der Provinz Nord-Kivu, in der frühere Kämpfer der Rebellenarmee CNDP dafür sorgten, dass ihnen genehme Kandidaten gewählt wurden.

Wie geht es weiter?

Noch sind knapp die Hälfte der Wahlkreise auszuzählen, doch viele Beobachter sind sich darin einig, dass es im Nachgang der Wahlen zu einem erneuten bewaffneten Konflikt bis hin zum Wiederaufflammen des Bürgerkrieges kommen könnte.

Joseph Kabila scheint nicht gewillt, die Macht abzugeben und und viele, Kongolesen wie auch internationale Beobachter, schließen nicht aus, dass die Wahlen von Regierungsseite manipuliert worden sind.

Das hat auch die Oppositionspartei UDPS, deren Kandidat Tshisekedi in einigen Provinzen vor Amtsinhaber Kabila führt, im Vorfeld der Wahlen bereits befürchtet. Die UDPS lehnt die zuletzt bekanntgegebenen Zwischenergebnisse ab. Sollte das Ergebnis in der Tendenz weiterhin stark pro Kabila ausfallen, könnte die Opposition dies mit Gewalt anfechten wollen.

1.12.: Welt-AIDS-Tag

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=XEe2t3nRB9U&w=420&h=315]

Am morgigen 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag.

AIDS, was war das nochmal? Seit den aufrüttelnden Medienberichten aus den 1980ern und frühen 1990ern ist das Thema HIV/AIDS allmählich aus dem Bewusstsein der Deutschen verschwunden. AIDS, erst Schwulenseuche, dann ein Thema das jeden und jede anging, inzwischen doch nur noch ein Problem in Afrika – aber bei uns?

Die meisten Menschen sind erschreckend wenig informiert über eine Krankheit, die, nicht nur in Entwicklungsländern, tödlich endet, denn es gibt keine Medikamente, die AIDS heilen. Es gibt lediglich welche, um den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.

Hier einige Fakten:

– AIDS steht für Acquired Immuno-Deficiency Syndrome – Erworbenes Immundefizienzsyndrom)

– HIV ist das Humane Immundefizienz Virus, der Erreger, der das Krankheitsbild AIDS auslöst

– AIDS ist keine Krankheit im eigenlichen Sinne, sondern eine Kombination von Symptomen, die eine Immunschwäche auslösen – Menschen mit AIDS sterben genaugenommen nicht an AIDS, sondern an sogenannten opportunistischen Infektionen, Infektionen, die das Immunsystem des Körpers nicht mehr bekämpfen kann. Dies sind z.B. Tumore, Lungenentzündung; in vielen Entwicklungsländern und Osteuropa ist es oft Tuberkulose.

– Vor einer Ansteckeckung mit HIV schützt nur Abstinenz oder Safer Sex. Sonst nichts.

– In Deutschland leben zur Zeit rund 73.000 Menschen mit HIV, davon mehr als viermal so viele Männer wie Frauen.

Weltweit haben sich seit Beginn der Epidemie über 60 Millionen Menschen mit HIV infiziert, rund 30 Millionen sind an AIDS gestorben. Trauriger Spitzenreiter ist Afrika, hier leben rund 23 Millionen Menschen mit HIV, über die Hälfte sind weiblich. Erschreckend hoch, wenn auch weit weniger als in Afrika liegen die Zahlen für Osteuropa, Zentralasien und die Karibik.

– Es gibt keine Medikamente, die HIV bekämpfen können – lediglich solche, die die Vermehrung des Virus im Körper hemmen und die überdies meist eine Vielzahl Nebenwirkungen auslösen. Wer sich einmal infiziert hat, wird das Virus nicht mehr los.

Im weltweiten Vergleich mögen die Zahlen für Deutschland niedrig erscheinen, außerdem dürfen Betroffene hier auch mit die besten Möglichkeiten der medizinischen Versorgung halten. Laut Robert-Koch-Institut nehmen die Neuinfektionen mit HIV seit 2010 ab – aber dennoch: Kein Grund zur Sorglosigkeit.

AIDS wird vor allem sexuell übertragen und betrifft dadurch uns alle, wie im übrigen alle anderen sexuell übertragbaren Krankheiten („Geschlechtskrankheiten“) auch.

Gib Aids keine Chance – Informationen rund ums Thema, gut aufbereitet

Deutsche AIDS-Hilfe – noch mehr Informationen

Robert Koch Institut – Informationen über AIDS und andere Infektionskrankheiten

Weltatlas: Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo

Quelle: http://www.transafrika.org/pages/laenderinfo-afrika/kongo/geographie.php

Am heutigen Montag finden in der Demokratischen Republik Kongo, kurz Kongo, Präsidentschaftswahlen statt.

Der Kongo – viele Assoziationen: Joseph Conrads „Das Herz der Finsternis“, die Gräueltaten der belgischen Kolonialherren, Korruption gigangischen Ausmaßes unter Diktator Mobutu (damals hieß das Land Zaire) und der andauernde Bürgerkrieg im Osten des Landes, der seit den 1990er Jahren über vier Millionen Tote gefordert hat.

Der Kongo – in den Augen vieler Europäer eines dieser afrikanischen Länder, deren vertrackte und komplizierte Konflikte irgendwie kaum jemand noch überschauen kann und die ohnehin zur Peripherie der Weltgeschichte gehören. Dies möchte ich zum Anlass nehmen, einige wesentliche Merkmale des Kongo unter der neuen Rubrik „Weltatlas“ vorzustellen. Diese Rubrik wird in unregelmäßigen Abständen erscheinen und vorwiegend afrikanische Länder beleuchten, aber nicht ausschließlich.

Weiterlesen

Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

http://www.unis.unvienna.org/unis/en/events/2011/no_to_violence_against_women.html

Heute, am 25.11. ist der jährlich und international abgehaltene Gedenk- und Aktionstag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen.

Dieser wurde 1981 von lateinamerikanischen und karibischen Feministinnen erstmals begangen und 1999 offiziell von den UN als Aktionstag ausgerufen. Ursprung ist das Gedenken an drei Schwestern, die 1960 in der Dominikanischen Republik durch Militärs zunächst verschleppt, dann gefoltert, vergewaltigt und dann ermordet wurden.

Deutschlandweit finden viele Aktionen und Veranstaltungen statt, die Menschenrechtsverletzungen an Frauen thematisieren, wie zum Beispiel Zwangsprostitution, sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, häusliche Gewalt, … die Liste ist (leider und erschreckend) lang.

Laut Weltgesundheitsorganisation stellt Gewalt gegen Frauen eines der größten Gesundheitsrisiken für sie dar – und eine repräsentative Untersuchung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums hat ergeben, „dass insgesamt 40 % der in Deutschland lebenden Frauen in ihrem Erwachsenenleben körperliche oder sexualisierte Gewalt oder beides in unterschiedlicher Schwere, Ausprägung und Häufigkeit erlebt haben“ (Bundesverband Frauennotrufstellen und Frauennotrufe – danke an die Mädchenmannschaft für den Link).

Das heißt also, fast jede zweite Frau. Das ist erschreckend – auch wenn kritische LeserInnen hier anmerken könnten, dass die Vergleichzahlen für Männer fehlen (die mich im Übrigen auch interessieren würden).

Dennoch, es bleibt erschreckend, genauso wie die Tatsache, dass es sich bei der Mehrzahl der (männlichen) Täter um die Partner oder Ex-Partner der Betroffenen handelte. Und auch ohne, dass die Zahlen nach Partnern und Ex-Partnern aufgeschlüsselt wären, zeigt dies, dass in Paarbeziehungen doch eine Menge im Argen zu liegen scheint.

Hierzu gibt es in der taz von heute einen interessanten Beitrag über „Gewalt an älteren Frauen“, in dem es darum geht, dass gerade ältere Frauen aufgrund ihrer Erziehung und der oft vorhandenen wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihren Männern Gewalt in der Beziehung erdulden und diese oftmals entschuldigen oder gar nicht erst als solche wahrnehmen.

Das Spektrum reicht von körperlicher Gewalt (die dann zum Beispiel durch „beruflichen Stress“ des prügelnden Mannes entschuldigt wird) über die vollkommene Mittellosigkeit (alles Vermögen läuft auf den Namen des Mannes) bis hin zu Verboten wie dem, keine Freundinnen einladen zu dürfen oder über das TV-Programm zu entscheiden.

Das ist ein erschütterndes Thema und es zeigt auch, dass „bei uns“ noch sehr viel im Argen liegt und es keineswegs so ist, dass hier das Frauenwunderland herrscht, wie uns gerne glauben gemacht wird.

Gerne wird ja auf Frauen in anderen Ländern verwiesen, die unterdrückt und immerzu Opfer seien, etwa „die Frauen in Afrika“, die mit 30 schon zehn Kinder auf die Welt gebracht haben oder afghanische Frauen, zur Ikone geworden durch das mit dem World Press Photo Award 2011 ausgezeichnete Bild, das ein Mädchen mit abgeschnittener Nase zeigt.

Auch wenn, gerade letzteres, natürlich eine Gewalterfahrung sehr krassen Ausmaßes ist, so ist jede Form der Gewalt, auch diejenige in Form von Verboten, die der Ehemann erlässt, genau das: Gewalt – und muss als solche erkannt, benannt und bekämpft werden.

Braune Frauen

Die Zeitungen und TV-Nachrichtungen sind voll davon und heute hat der Bundestag zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode eine Resolution verabschiedet, die alle Fraktionen, von Links bis CDU, mittragen: Die hässliche Fratze der braunen Gesinnung lässt uns alle erschauern und es bleibt zu hoffen, dass in den kommenden Wochen und Monaten Aufklärung in den Fall der Terroristen kommt, aber auch die Rolle der Verfassungsschutzbehörden und vor allem der V-Leute-Praxis gründlich untersucht werden. Anscheinend liegt da eine Menge im Argen.

Übers Wochenende habe ich einige interessante Artikel zur Rolle von Frauen in der rechten Szene gelesen. Gemeinhin gilt die Annahme, dass „die Rechten“ vor allem Männer sind, dumpfe Schläger, die sich in Kameradschaften zusammenrotten und Andersdenkende („Linke“ und „Ausländer“) verprügeln. Auch dieses Bild ist so nicht mehr ganz richtig, seit längerem schon versuchen sich Rechte im gemäßigten Auftritt, um auch jene Menschen zu interessieren, die sich weniger mit prügelnden Glatzen, aber doch irgendwie mit dem diffusen „Ausländer raus“ und nationaler Ideologie identifizieren können.

Die Rolle der Frauen in der Nazi-Szene

Worüber selten berichtet wurde ist, dass Frauen in der Nazi-Szene durchaus eine wichtige Rolle haben. Ins Bild rückt dies nun durch die Beteiligung einer Frau, Beate Z., an der Thüringer Terrorzelle. In einigen Medien wurde über ihre (weibliche) Rolle innerhalb des Trios spekuliert, was in einem Artikel bei SPIEGEL Online kritisiert wird – jemand, der 12 Jahre im Untergrund lebt, tut dies aus einer Gesinnung heraus, nicht wegen eines (oder zweier) Männer.

Zwei andere Artikel, bei SZ und taz, setzen sich mit der wirklichen Rolle von Frauen in der Nazi-Szene auseinander und kommen zu dem Schluss, dass Frauen, anders als es das öffentliche Bewußtsein meint, alles andere als dekorative Anhängsel von aktiven männlichen Nazis sind, sondern selbst auch aktiv in der Szene mitarbeiten. Im Gegenteil stellen die Frauen jedoch einen aktiven Part innerhalb der Nazi-Szene dar und nutzen sogar das Vorurteil, Frauen seien nicht politisch aktiv und auch nicht radikal, bewußt aus, indem sie zum Beispiel Veranstaltungsorte anmieten. Oder eben an Gewalttaten bis hin zu Morden beteiligt sind.

Dabei spielt natürlich auch ein Vorurteil eine Rolle, wonach Frauen an sich eher unpolitisch und nicht gewalttätig sind. Wie Andrea Röpke im oben verlinkten Artikel in der SZ schreibt, haben bisher sogar Gerichte Frauen, die an rechten Gewalttaten beteiligt waren, durchgängig milder bestraft als die Männer, die für die gleichen Taten verurteilt wurden – auch hier wohl wegen der Vororteile, Frauen seien nicht so gewalttätig wie Männer.

Öffentliche Diskussion ist nötig

Hier gibt es also viel nachzuholen: Einmal wird eshöchste Zeit, dass öffentlich diskutiert wird, wie sich in Deutschland die braune Gesinnung so hartnäcking halten kann und warum der Staat trotz einer Menge V-Leute (die auch eine Menge an Steuergeldern kassieren) anscheinend vom Wesentlichen nichts mitbekommt. Das ist in den letzten Jahren immer mehr in den Hintergrund gerückt, seit dem 11. September 2001 kamen die Links- und vor allem islamistischen Terroristen immer mehr in den Fokus und der Regierung schien es nicht mehr wichtig, die Nazis im eigenen Land zu bekämpfen.

Hier ist anzumerken, dass bis 2005 eine rot-grüne und bis 2009 eine Große Koalition under SPD-Beteiligung regierten; nicht erst unter der jetzigen Regierung wurde das Thema Rechtsextremismus vernachlässigt.

Lange Jahre scheint man versucht haben, sich beim Thema Rechtsextremismus so zu verhalten, wie es auch bei anderen Dingen geschah: Aussitzen, Herunterspielen, Ablenken. Der Anlass der nun aufgedeckten Mordserie ist schlimm genug und sollte nicht nur die üblichen aktionistischen Politikerreflexe „eine Kommission gründen“, „ein Abwehrzentrum einrichten“, etc. sein. Vielmehr sollte dies nun dazu genutzt werden, ehrlich und schonungslos Bilanz zu ziehen und zukünftig wesentlich entschlossener gegen die Nazi-Gesinnung, die sich in viel zu vielen Köpfen in Deutschland (nicht nur im Osten!) ausgebreitet hat, zu thematisieren und sich ihr entgegenzustellen.

… und noch ein Nachtrag

Die Emma hat kürzlich einen Text aus dem aktuellen Heft über Volksmütter und Skingirls online gestellt, auch sehr lesenswert!

Chancen schaffen: Frischer Wind aus dem BMZ

Gestern abend war ich bei einer Veranstaltung in der Altonaer Werkstatt 3:  „Entwicklung und Afrika neu denken – der Ansatz des BMZ“. Peter Krahl vom Planungsstab des BMZ stellte das neue Strategiepapier „Chancen schaffen – Zukunft entwickeln“ vor; angekündigt worden war auch die Vorstellung des ressortübergreifenden Afrika-Konzeptes der Bundesregierung, doch Punkt eins bot genügend abendfüllenden Stoff, so dass das Afrika-Konzept außen vor blieb.

Der Abend fand (leider) in kleiner Runde statt, was wohl u.a. dem zeitgleich (und auch noch in Hamburg) ausgetragenen Länderspiel geschuldet war. Dadurch war jedoch die Atmosphäre recht persönlich und die teilnehmenden stellten viele Fragen.

Das Konzept – quasi druckfrisch an die Anwesenden verteilt – will, so der Referent (noch) kein fertiges sein, sondern eher ein Thesenpapier, das Minister Dirk Niebel im Sinne eines „Aufschlages“ nun an die Zivilgesellschaft gegeben hat, um nach eingehender Diskussion ein endgültiges, erweitertes Konzept zu präsentieren. In einer Stellungnahme hat VENRO, der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen bereits eine kritische Analyse dazu veröffentlicht.

Entwicklungspolitik im Wandel

Entwicklungspolitik ist, wie alle politischen Themen, einem stetigen Wandel und dem Zeitgeist unterworfen, außerdem spielen natürlich parteipolitische und weltanschauliche Ansichten mit hinein. Es gibt daher selten Konsens darüber, was „gut“ ist und was „schlecht“, je nach Weltanschauung gehen da die Ansichten zum Teil extrem auseinander.

Das neue BMZ-Papier spiegelt den Paradigmenwechsel wieder, der mit der Übernahme des BMZ durch FDP-Minister Niebel 2009 begann. Der Referent präsentierte folgende Punkte als die wesentlichen:

– Mehr Wirksamkeit

– Mehr Sichtbarkeit

– Mehr Investitionen

– Mehr Zivilgesellschaft

Mehr Projektfinanzierung, weniger Multilateralismus

Interessant ist eine Rolle rückwärts in der Entwicklungsfinanzierung: Das BMZ  will wieder weg von der multilateralen, hin zu mehr bilateraler Kooperation, also weniger Beiträge an internationale Organisationen, Regionalbanken, etc. zahlen und dafür mehr Gelder über die Durchführungsorganisationen GIZ und KfW sowie NGOs direkt in die Partnerländer geben. Dies soll durch Projekthilfe geschehen, die wegen der vielen Doppelstrukturen und ihrem hohen Verwaltungsaufwand in der Kritik stand und steht.

Auch die seit einem guten Jahrzehnt praktizierte Budgethilfe,  das Einzahlen von Geldern in die Haushalte der Empfängerländer, wird wieder zurückgefahren werden. Der Grund: Die hohe Korruptionsanfälligkeit.

Die Anwesenden sahen dies jedoch kritisch, denn die Projekthilfe an sich ist  nicht weniger korruptionsanfällig, auch wenn dies auf den ersten Blick so scheinen mag. Die Praxis zeigt durchaus anderes.

Zielkonflikte

Die EZ mag ihre Schlagworte. Eines, das sehr häufig an diesem Abend fiel, war „Zielkonflikt“. Zielkonflikte entstehen, wenn sich zwei gut gemeinte Absichten in die Quere kommen und da die EZ an sich es ja gut meint, entstehen hier quasi Zielkonflikte am laufenden Band.

Ein Zielkonflikt besteht zum Beispiel zwischen den Anliegen „mehr Wirksamkeit“ und „mehr Sichtbarkeit“ – eine höhere Sichtbarkeit, z.B. durch mehr Projekthilfe und in der Folge mehr einzelne Projekte muss sich nicht unbedingt positiv auf die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel auswirken, im Gegenteil könnte es sogar schädlich sein, da mehr Projekte mehr administrative Strukturen und auch potenzielle Dopplungen thematischer Art bedeuten können. Die Antwort des BMZ: Bei Zielkonflikten dieser Art muss die Wirksamkeit über der Sichtbarkeit stehen.

Überhaupt, die Wirksamkeit. Dies scheint eines der von Dirk Niebel bevorzugten Schlagworte zu sein. Zur besseren Dokumentation und Erhöhung der Wirksamkeit der deutschen EZ wird ein unabhängiges Evaluierungsinstitut gegründet (allerdings vom BMZ finanziert), das die deutsche EZ künftig evaluieren soll. Näher wurde darauf an diesem Abend jedoch nicht eingegangen.

Mehr Investitionen, weniger Grundbildung

Mehr Investitionen, weniger Grundbildung, so lässt sich verkürzt ein weiterer Punkt darstellen. Das BMZ vertritt den Standpunkt, dass die sozialen Dienste und die Grundbildung von anderen Gebern ausreichend ausgestattet werden, so dass das deutsche Engagement hierbei zurückgefahren werden kann. Stattdessen sollen private und öffentliche Investitionen gefördert werden. Mit der Maßgabe, dass Gewinne zum Großteil in den jeweiligen Ländern verbleiben und die jeweiligen Regierungen ein investitionsfreundliches Umfeld schaffen.

Dies dürfte wohl in vielen Fällen mit Unterstützung in Form von Beratungsdienstleistungen der GIZ geschehen.

Mehr Zivilgesellschaft – aber wieviel? 

Die Zivilgesellschaft soll noch stärker gefördert werden, dazu werden mehr Mittel für die Förderung von Vorhaben privater Träger bereitgestellt werden (von derzeit rund 500 auf bis zu 680 Mio. Euro bei einem Gesamthaushalt des BMZ von 6,219 Mrd. Euro in 2011).Über die GIZ und die KfW wird nach Aussage des Referenten jeweils rund das Doppelte (je etwa 1,2 Mrd. Euro) implementiert, die Zivilgesellschaft bleibt daher weiterhin ein untergeordneter Akteur.

Kritische Stimmen: Wo bleibt die Gendersensibilität? 

Wie erwähnt hat VENRO bereits einen kritischen Blick auf das Papier geworfen und auch in der gestrigen Diskussionsrunde wurde vieles kritisch diskutiert. Besonders kritisch, befeuert durch Selbstkritik des BMZ, vertreten durch den Referenten, wurde die fehlende Thematisierung der Gender-Frage gesehen.

Bei keinem öffentlichen Geber kann man Gelder beantragen, ohne die Gendersensibilität des Vorhabens nachtzuweisen, doch die Vorstellungen des BMZ zur Zukunft der deutschen EZ klammern dieses Thema komplett aus. Der Referent gab sich zernkirscht und versprach, dass das BMZ diese Kritik ernst nehmen würde, schließlich sei die deutsche EZ in personeller Hinsicht auch alles andere als gendersensibel. Von vier Abteilungsleitern des BMZ ist keiner weiblich, auch die sieben Vorstände der GIZ sind Männer.

Da gibt es noch einiges zu tun für die deutsche EZ, denn es holpert natürlich, wenn man Genderpolitik in anderen Ländern fördern möchte, ohne dabei wirklich ein Vorbild zu sein.

Wir wollen Weltmarkführer werden

Explizites Ziel von Dirk Niebel ist es, mittels der GIZ Weltmarkführer im Bereich der technischen Zusammenarbeit zu werden. Hier gibt es einen weiteren Zielkonflikt, stellt man dieses Anliegen dem alten Motto, wonach das Ziel der EZ sein sollte, sich selbst abzuschaffen, gegenüber.

Solange die Vergabe von deutschen Geldern daran geknüpft ist, dass die Empfängerländer damit deutsche ExpertInnen der GIZ engagieren müssen, welche vor Ort Führungspositionen einnehmen und ParallelStrukturen aufbauen, so lange kokmmt es auch nicht zu einem wirklichen capacity building, also dem Aufbau von Expertise unter einheimischen Fach- und Führungskräften. Das ist zwar auch ein erklärtes Ziel der deutschen EZ, wird aber noch lange nicht konsequent genug umgesetzt.

Auch hier spielt die Politik wieder hinein: Damit die Fusion der drei Durchführungsorganisationen GTZ, DED und InWEnt sozialverträglich gestaltet werden kann, muss das Auftragsvolumen der GIZ idealerweise steigen, damit die Arbeitsplätze erhalten werden.

Fazit: Ein weites Feld

Wie überall, so kommen und gehen die Moden auch in der Entwicklungspolitik – und auf die Frage, ob denn das vorliegende Papier nicht in spätestens zwei Jahren (nach der nächsten Bundestagswahl) bereits wieder hinfällig sein würde, antwortete der Referent routiniert, dass so eben die Politik funktioniere, dass es aber, auch im BMZ, durchaus begrüßt würde, dass mit Dirk Niebels Initiative einmal frischer Wind in die deutsche EZ gepustet würde.

Zunächst einmal darf man aber gespannt sein, ob ein überarbeitetes Konzept kommt und wenn ja, wie dieses aussehen wird. Das BMZ bittet dazu um Rückmeldung über seine Website und Facebook.

50 Jahre deutsche Entwicklungszusammenarbeit – Das BMZ feiert Geburtstag

Heute feiert das BMZ seinen 50. Geburtstag. BMZ: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Ärger im Vorfeld des Jubiläums

Im Vorfeld gab es dazu bereits einige Schlagzeilen, da der amtierende Minister sich weigerte, seine Vorgänger Ehrhard Eppler und Heidemarie Wieczorek-Zeul als Reder zuzulassen; auch gibt es Berichte, wonach jener Minister, Dirk Niebel von der FDP, sich mit seiner Vorgängerin, Heidemarie Wieczorek-Zeul von der SPD überworfen habe.

Entwicklungpolitik wird in den deutschen Medien leider immer etwas stiefmütterlich behandelt und wenn, dann meistens mit dem Nebensatz, dass sie eigentlich sowieso nichts bringe. Mit Dirk Niebel als zuständigem Minister hat sich dieser Diskurs bisher leider nicht geändert – in keinem Artikel über Herrn Niebel fehlt der Hinweis, dass die FDP noch im Wahlkampf ebendieses Ministerium, was sie nun besetzt hat, abschaffen wollte. Niebel selbst hat sich bisher nicht sonderlich beliebt gemacht und wirkt selten, als sei er in seinem Element.

Fusion in der deutschen EZ

Respekt kann man ihm durchaus für seine Initiative für die Fusion dreier Durchführungsorganisationen zollen, schließlich war und ist ein Kritikpunkt an der (deutschen) Entwicklungspolitik, dass sehr viel Geld und Energie in die Selbstverwaltung der eigenen komplexen Strukturen fließt, anstatt dem eigentlichen Ziel, der Abschaffung der Armut, zu dienen. Seit Anfang 2011 mühen sich die frühere GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit), InWEnt (Internationale Weiterbildung und Entwicklung) sowie der DED (Deutsche Entwicklungdienst) ab, zu einer GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) zu werden. Das läuft schleppend und mit viel Ächzen und Stöhnen, wie man hört, aber warum sollte es den deutschen Institutionen anders gehen als jenen Strukturen des Südens, die sie entwickeln will berät?

Neue deutsche EZ: Wirtschaftsförderung für den Mittelstand

Viel Kritik müssen Niebel und die FDP jedoch für ihre inhaltlichen Reformen der deutschen EZ einstecken. Das neue Paradigma der deutschen Entwicklungspolitik lautet, dass sie sich vor allem für Deutschland und seine Unternehmer lohnen muss. Entwicklungspolitik als Wirtschaftsförderpolitik, zugespitzt formuliert. Das ist reichlich kurz gedacht. Lohnen sollte sie sich natürlich – aber mindestens genauso, wenn nicht mehr für die Empfänger, die schließlich die „Zielgruppe“ darstellen sollten. In einem aktuellen Interview betont der Minister gemäß dieses neuen Ansatzes, die deutsche EZ wolle nicht in Kolonialherrenmanier auftreten und auch kein karitatives Unterfangen – eine eigene Vision von Entwicklungspolitik lässt er jedoch nicht erkennen.

Entwicklungspolitik sollte durchaus nicht „karitativ“ sein, seit Jahren lautet das Motto der deutschen Entwicklungszusammenarbeit „Partnerschaft auf Augenhöhe“- in der Praxis, und das werden auch und vor allem die PraktikerInnen nicht bestreiten, sieht es leider zumeist anders aus. Zwar ist viel die Rede von Strukturen, die verändert werden sollen, leider geschieht das aber immer noch von oben nach unten, d.h. vom Experten zur „Zielgruppe“ – die Augenhöhe ist noch lange nicht erreicht. Hier müssten neue Visionen und ein daraus resultierendes Umdenken ansetzen, aber in der laufenden Legislaturperiode ist das nicht zu erwarten. Eher wird mit weniger Neuigkeiten aus dem BMZ zu rechnen sein, ist zu befürchten.

Fehlende Visionen und inhaltsleere Antworten

Auch wenn das Ministerium als solches nicht abgeschafft werden soll, so tut sich Dirk Niebel doch damit hervor, das Tätigkeitsfeld und die Bedeutung seines Hauses zu beschneiden. Auf zukünftige Entwicklungsfinanzierung weiß er keine überzeugende Antwort (nach Lektüre des taz-Interviews hat man den Eindruck, dass es ihm eigentlich egal ist, ob das Budget in den kommenden Jahren nun steigt oder sinkt), auch inhaltlich lässt er sich nicht verorten (er zählt lediglich  auf, welche neuen Konzepte man entwickelt habe, nicht aber wofür er steht). Erfolgreiche Entwicklungspolitk bedarf aber finanzieller Stabilität, einer langfristigen Vision und einem Konzept zur Umsetzung (nicht nur Worthülsen und Schlagworten).

BMZ gibt Kompetenzen an AA ab

Schließlich haben sich jüngst die Parteifreunde Niebel und Westerwelle geeinigt, dass das BMZ einige Kompetenzen an das Außenministerium (AA) abgeben wird. Bisher ist das AA für Nothilfemaßnahmen zuständig (z.B. Nothilfe direkt nach einer Naturkatastrophe) und das BMZ für die längerfristigen Maßnahmen, die sich in entwicklungsorientierte Not- und Übergangshilfe von 6 Monaten bis ca. 2 Jahre nach einer solchen Katastrophe sowie die längerfristige Entwicklungszusammenarbeit gliedern. Das BMZ soll künftig die Mittel für Krisenprävention und Konfliktbewältigung verwalten.

Wie so oft wird sich erst zeigen müssen, ob diese Entscheidung Sinn macht; aus entwicklungspolitischer Sicht ist sie jedoch äußerst kritisch zu beurteilen, da das BMZ damit eine sehr wichtigen Bereich an ein anderes Ministerium abgibt und außerdem weiterhin zwei (ministerielle) Akteuer in der EZ der Bundesregierung auftauchen.

Eine weitere Chance der Reform vertan?

Die o.g. Fusion der Durchführungsorganisationen hatte unter anderem zum Hintergrund, dass Deutschland im Ausland konzertierter auftreten möchte – eine Organisation vor Ort (GIZ) statt dreier verschiedener in jedem Partnerland (GTZ, DED, InWent). Das ist auch sinnvoll, allerdings führt die neue Zuständigkeitsverteilung in den Minsterien nun weiterhin dazu, dass die Empfänger der Entwicklungsgelder und Projekte sich mit zwei Ministerien abgeben müssen, entweder direkt oder aber über die zwischengeschaltete Durchführungs- oder Partnerorganisation und in der Auseinandersetzung mit den nicht einheitlich gestalteten Regularien, Antrags- und Berichtsformaten sowie unterschiedlicher Ansprechpartner in den Ministerien. Auf dieser Ebene ist also nichts gewonnen, eher entsteht hier erst einmal noch mehr Aufwand. Stattdessen hätte auch hier die Chance bestanden, die deutsche EZ an einer wichtigen Stelle zu vereinfachen.

Der kleine Feminist: Von Ritterinnen und Rittern

Neulich war ich bei einer Freundin zu Besuch, deren dreieinhalbjähriger Sohn mich zum Spielen in sein Zimmer einlud. Dort schlug er dann vor, Ritter zu spielen und zwar mit den Worten: „Du bist eine Ritterin und ich ein Ritter“.

Wow, dachte ich, dieses Kind ist aber mal klasse erzogen. Gut, eine (sehr) kurze und keinerlei geschichtswisenschaftlichen Ansprüchen genügende Google-Recherche hat ergeben, dass es im europäischen Mittelalter höchstwahrscheinlich keine Ritterinnen gab, aber genau hier liegt das für mich so Faszinierende an der Weltsicht des kleinen Jungen: Feminismus, so wie ich ihn verstehe, setzt sich für absolute Chancengleichheit ein – demnach sollte es also auch Ritterinnen geben, würde dieser Berufsstand einmal wieder benötigt.

Wie bemerkenswert, dass ein kleiner Junge schon ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass Frauen und Männer die gleichen Dinge tun, und zwar solche Dinge, die üblicherweise als etwas rein männliches angesehen werden.

Und wo wir gerade beim Thema sind: Neulich lag ein Spielzeugheft von Karstadt in unserem Briefkasten, schließlich ist bald Weihnachten und die Wunschzettel müssen geschrieben werden. Meine Güte, was es für krasse Dinge für Kinder gibt (aber ehrlicherweise waren auch die 1980er schon ein Konsumparadies, machen wir uns nichts vor).

Etwas aufgestoßen ist mir aber dann doch die sehr traditionelle Präsentation der Sachen. Jungs bekommen alles mit Piraten, Monstern und Werkzeug, Mädchen bekommen Küchen (hatte ich auch, finde ich bis heute super), rosa Babypuppenbuggys und (!) Bügelbretter.

So werden dann die alten Rollenklischees schön weiter tradiert – unter dem Vorwand „die Kinder wollen es ja so“. Mädchen in die Küche, Jungs dorthin, wo es etwas zu erleben gibt. Naja, da ist noch viel Luft nach oben, finde ich. Warum sollten Jungs denn keinen Spaß am Puppenherd haben, genauso wie Mädchen auf Werkbänke stehen können??