Vor rund zwei Wochen habe ich eine Seminareinheit zum Thema „Multikulturelle Gesellschaft – wie kann es gelingen?“ mit einer Gruppe von 18 SeniorInnen geleitet. Das hat viel Spaß gemacht, weil sich die Teilnehmenden unglaublich rege beteiligt haben – manchmal fast zu sehr, sodass ich mein Programm etwas kürzen musste, aber es hat ja auch etwas, auf die Anregungen der Seminarrunde einzugehen.
Die Anwesenden hatten sich bereits die ganze Woche lang mit verschiedenen Themen rund um Migration, Integration und interkultureller Fragestellungen auseinandergesetzt und ich war dann am Freitag Morgen, kurz vor Seminarende dran. Das kann oft etwas mühsam sein, weil nach mehreren Seminartagen gerne die Luft raus ist und die meisten schon in Gedanken bei der nahenden Heimreise sind.
Den Eindruck hatte ich bei der besagten Gruppe allerdings nicht. Viele der Teilnehmenden hatte ich in einem ähnlichen Seminar im letzten Jahr schon erlebt und war positiv überrascht, wie aktiv und interessiert alle bis zur letzten Minute mitgemacht haben.
Da es sich um eine etwa dreistündige Abschlusseinheit handelte, habe ich recht „frontal gearbeitet“, dabei allerdings unterschiedliche Medien eingesetzt wie Texte, vorbereitete Tabellen, Bilder und einen kurzen Videoausschnitt aus der SWR-Reihe Planet Wissen.
Anknüpfen an biographische Erlebnisse
In der Arbeit mit älteren Menschen mache ich immer gute Erfahrungen damit, an biographische Erlebnisse anzuknüpfen. So etwa mit dem Einstieg über „Migration in meiner Familiengeschichte“, in dem sich die Teilnehmenden erst untereinander und dann im Plenum darüber austauschten, welche Migrationserfahrungen sie selbst erlebt haben oder die in ihren Familien in Vergangenheit oder Gegenwart vorkommen.
Sehr schnell konnten darüber Parallelen zu aktuellen Ereignissen gezogen werden. Etwa die Ablehnung, auf die viele Flüchtlingsfamilien, die nach dem zweiten Weltkrieg aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Schleswig-Holstein kamen stießen, und die viele der Anwesenden auch in der aktuellen Flüchtlingsdiskussion wiedererkennen, ganz aktuell in den Auseinandersetzungen um eine Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Hellersdorf.
Erlebte (Migrations)Geschichte
Im weiteren Verlauf haben wir viel über die Geschichte der „Gastarbeiter“ gesprochen, welche die Anwesenden, im Gegensatz zu mir, von Anfang an persönlich miterlebt haben. Viele erzählten von Kollegen aus der Türkei, Italien oder Portugal in ihren Betrieben und wie sie im direkten Kontakt viel über deren Gesellschaften gelernt haben. Dabei wurde auch durchaus kontrovers diskutiert und eigene Vorurteile kritisch überprüft.
Nun haben wir zum Fazit zwar keine Patentlösung dafür finden können, wie die „multikulturelle Gesellschaft“ denn nun funktionieren kann (was aber auch nicht unser Anspruch war), es hat sich aber ein interessanter Austausch über die Bedeutung von Migration entwickelt, die ja auch kulturell und wirtschaftlich bedeutsam ist, der sich sicher in manchem Gespräch beim Mittagessen und darüber hinaus fortgesetzt hat.
Weitere Informationen
- Dokumentation Lebensnah & Weltweit. Lebenserfahrung gestaltet Globales Lernen, Fachforum 18.-19.6.2012 in Hamburg (PDF)
- Asbrand, Barbara, et al. 2005. Globales Lernen im Dritten Lebensalter. Ein Werkbuch. Erwachsenenbildung Spezial 9. Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung. (PDF)
- Koops, Katrin 2012. Globales Lernen in der Volkshochschule. Erfahrungen zur Verbreitung Globalen Lernens in der Erwachsenenbildung. Magazin Erwachsenenbildung, Ausgabe 16. (Seite mit Download)
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