In einer Lokalzeitung las ich kürzlich über eine Firma, die ihre ausgemusterten Computer an eine Organisation gespendet hat, die diese nun nach Afrika schickt. Da ich Sachspenden (gifts in kind) grundsätzlich kritisch sehe, insbesondere das Spenden von Secondhand-Dingen „für Afrika“, habe ich ein wenig zum Thema recherchiert. Gleich vorweg: Ich gebe im Folgenden keine Empfehlungen für Organisationen an die man spenden kann; nach meiner Kurzrecherche kann ich keine Aussagen über die Qualität der Arbeit einzelner Organisationen treffen. Hier gilt wie auch sonst in Bezug auf Spenden, dass man kritisch hinterfragen sollte, was genau mit dem Geld, bzw. den gespendeten Dingen passiert, wie Rechenschaft abgelegt wird und ob wirklich ein Bedarf vor Ort besteht (siehe auch diesen Beitrag von mir).
Die Sachspende, eine schwierige Sache
Warum bin ich Sachspenden gegenüber kritisch eingestellt? Das Spenden von alten Dingen „für Afrika“ steht in einer paternalistischen Tradition und ist oft mit einer stereotypen Vorstellung von „die haben ja nichts“ (und können daher auch mit altem Schrott gebrauchten Dingen etwas anfangen) verbunden. Ich möchte niemandem ihre oder seine guten Absichten absprechen, denn auch ich mache mir viele Gedanken darüber, wie gut erhaltene Dinge, die ich nicht mehr benötige, noch sinnvoll genutzt werden könnten.
Das Spenden ausrangierter Güter bringt aber auch eine gewisse Verantwortung mit sich. Die Geschichte der Altkleider, die vor allem den Sammelnden nutzen und lokale Textilmärkte zerstört haben, ist bestens dokumentiert. Laura Seay hat einiges an Forschung über negative Effekte von Kleiderspenden zusammengetragen. Unter ihrem Blog-Post kommentiert TMS Ruge übrigens:„Gebrauchte (lies: veraltete) Computer werden massenweise unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit auf dem [afrikanischen] Kontinent abgeladen. In Wahrheit aber ist es einfach billiger, sie dort auf den Müll zu werfen, anstatt sie zu recyceln oder verantwortungsvoll zu entsorgen.“ [Meine Übersetzung]
Ein weiteres Argument gegen Sachspenden: Fast alle Dinge bis hin zu technischem Gerät gibt es inzwischen auf lokalen Märkten der allermeisten afrikanischen Länder zu kaufen und der Kauf vor Ort unterstützt die lokale Wirtschaft. Auch wenn ggfs. die Preise höher sind, so kann sich das durchaus lohnen, wenn man bedenkt, dass auch für den Transport und den Import gespendeter Güter Kosten für Transport und Zölle in Höhe von mehreren Tausend Euro pro Containerladung anfallen, von späterer Wartung und der Beschaffung von Ersatzteilen ganz abgesehen.
„Computer für Afrika“: die vier Kategorien der Spendenorganisationen
Eine kurze Stichwortsuche ergibt rasch eine Vielzahl von Organisationen, die „Computer für Afrika“ spenden. Die Vorgehensweise ist dabei recht unterschiedlich und reicht von „einfach Hinschicken“ bis zur umfassenden Programmarbeit im Bereich Medienkompetenz. Die Arbeitsweise der Organisationen lässt sich grob in vier Kategorien einteilen:
- „Weiterleiter“: Gespendete Hardware wird in ein bestimmtes Zielland geschickt, ohne sie vorher auf Funktionstüchtigkeit zu prüfen, zu überholen und ggfs. Software zu checken; es gibt vor Ort auch keine Programme zur Umsetzung
- „Überholer“: Gespendete Hardware wird überholt, nur funktionstüchtige Teile werden abgegeben, ggfs. mit an das jeweilige Zielpublikum angepasstem Betriebssystem und Software. Entweder bestehen bereits Kontakte zu EmpfängerInnen oder aber gemeinnützige Organisationen können Bedarf an solchen überholten Geräten anmelden und sie für geringe Gebüren erwerben.
- „Spender“: Gespendete Hardware wird überholt und vor Ort (in Deutschland/westlichem Land) verkauft, die Erlöse werden für IT-Projekte gespendet
- „IT und/oder Medien-Projekte“: Organisationen, die Spenden für IT-Projekte sammeln (etwa Ausrüstung von Schulklassen), aber keine Hardware in westlichen Ländern annehmen.
Es gibt außerdem eine Reihe von großen und kleinen NGOs, die Programme und Projekte im Bereich Mediennutzung- und Kompetenz umsetzen oder unterstützen, d.h., Kinder, Jugendliche und Erwachsene lernen hierbei nicht nur, Rechner zu bedienen, sondern auch sie für ihre Zwecke zu nutzen, etwa, um Kampagnen durchzuführen, Videos zu produzieren, etc.
Computerspende – gut oder schlecht?
Grundsätzlich ist es sinnvoll, nur wenige Jahre alte Computer, die durch neuere ersetzt worden sind, wiederzuverwerten – es gibt dabei aber eine Reihe von Fragen, die geklärt werden müssen, etwa:
- Je kürzer der Weg… desto geringer die Transport- und Umweltkosten. Es gibt inzwischen in Deutschland oder anderen westlichen Ländern viele Initiativen, die gebrauchte Rechner und anderes Gerät sammeln, überholen und an NutzerInnen vor Ort abgeben.
- Elektroschrott: Immer wieder wird über gigantische Müllberge von „E-Waste“ in Afrika berichtet, sehr gut dokumentiert ist etwa die Müllindustrie in Ghana. Rund 500 Container mit Elektroschrott pro Monat landen alleine in Accra. Ganze Familien leben hier vom recyceln von Elektroschrott, meist unter Bedingungen, die Gesundheit und Umwelt massiv gefährden. Ein Problem: „Warum Geld fürs Recycling bezahlen – wenn man doch für das Schrott-Dumping in Afrika auch noch Geld bekommt?“ heißt es im Beitrag bei DRadio.
- (unsichere) Stromversorgung: Selbst an vielen abgelegene Orte Afrikas gibt es zwar inzwischen Strom, oft ist er aber rationiert oder es kommt zu häufigen Stromausfällen und Schwankungen im Netz. Damit man unter diesen Bedingungen mit einem Computer arbeiten kann sind entweder teure Generatoren notwendig oder aber sog. UPS , Geräte, die zwischen Computer und Stromanschluss geschaltet werden, um Störungen abzufedern (und z.B. Datenverlust zu verhindern). Ebenfalls teuer – aber bei Computerspenden sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass entsprechende Systeme vorhanden sind oder mit angeschafft werden. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob Desktopsysteme überhaupt vor Ort nutzen oder zu aufwändig zu warten sind. Hierzu ein kurzer Beitrag über eine in Malawi erprobte Alternative mit ThinClients)
- Bedarf vor Ort: Spenden sind oft „gut gemeint“ –jemand beobachtet, dass vor Ort etwas fehlt (etwa Computer an afrikanischen Schulen) und beschließt, Abhilfe zu schaffen. Ganz wesentlich ist aber, vorher gemeinsam mit den Menschen vor Ort zu erörtern, welchen Bedarf sie haben – und wie Computer genutzt werden können. Sprich: Leiten Personen vor Ort entsprechende Initiativen? Etwas zu geben, mag gut gemeint sein, wenn das Gegebene dann höflich empfangen, aber nie genutzt wird, hat es keinen Effekt.
- Ausstattung: Wie werden die Computer (oder sonstigen Geräte) geliefert: D.h. wie alt sind sie, welches Betriebssystem und welche Software laufen darauf, welches Zubehör gibt es oder welche Kabel und Stecker werden mitgeliefert? Eine Windows-Version in Deutsch ist international nutzlos, ebenso wie die deutsche Tastatur (in französisch- oder englischsprachigen Ländern unterscheidet sich die Anordnung der Symbole von der deutschen QWERTZ-Tastatur).
Eine sehr gute Übersicht darüber, was rund um „Computer für Schulen spenden“ zu beachten ist, gibt es im Blog von Tim Unwin, Experte für IT und Entwicklung.
Hier ein Interview mit Alex Antener, der verschiedene Computerprojekte in Malawi umgesetzt hat, und sich im Bereich freie Software engagiert. Seine Haltung zur Computerspende: „Die Haltung [alte Computer für Afrika zu spenden] empfinde ich als unehrlich und inkonsequent. Auch eine afrikanische Elite an einer Universität, wie beispielsweise der Polytechnic [an der University of Malawi], verdient es, mit den neusten Technologien zu arbeiten.“
Schließlich stellt sich auch die Frage ob Computerräume an Schulen überhaupt noch zeitgemäß sind oder eine mobile Lösung nicht sinnvoller wäre – das beinhaltet nicht nur Tablets oder Laptops sondern auch vermeintlich simple Lösungen wie „COWs“ (Computers on Wheels – Computer auf Rädern), also Computern auf Rolltischen, die dort hingeschoben werden können, wo sie gerade benötigt werden. Eine interessante Diskussion dazu in einem Post von Michael Trucano im ICT-Blog der Weltbank.
Fairerweise muss man jedoch auch sagen, dass es auch Menschen gibt, die sich über diese Dinge Gedanken machen und z.B. Computer nur bis zu einer bestimmten Nutzungsdauer (z.B. max. 4 Jahre) annehmen und diese so ausrüsten, dass sie dem jeweiligen lokalen Bedarf entsprechen und dabei eng mit lokalen Initiativen zusammenarbeiten. Wichtig ist hier insbesondere, dass technische Geräte nicht irgendwo einfach angeliefert und dann vergessen werden. Es muss in jedem Fall dafür Sorge getragen werden, dass die Geräte aufgebaut, installiert und regelmäßig gewartet werden können. Auch bekannte Verschleißteile müssen erhältlich sein und es muss sichergestellt werden, dass es, etwa im Fall von Computerspenden für Schulen, auch entsprechend ausgebildetes Lehrpersonal vor Ort gibt, und die Schulkinder die Geräte auch wirklich im Unterricht nutzen.
Mein Fazit
Angesichts der großen Probleme mit Elektroschrott, den Transportkosten, den Fragen nach Wartung und der richtigen Ausrüstung von IT-Geräten scheint es mir persönlich am Sinnvollsten, gebrauchte Rechner und andere Geräte an Organisationen zu spenden, die sie hier vor Ort überholen und an NutzerInnen in Deutschland abgeben. Eine fachgerechte Entsorgung ist auf jedem Wertstoffhof möglich (teils gibt es sogar Elektroschrottsammlungen mit dem regulären Sperrmüll). Programme in Afrika können über (seriöse) Organisationen unterstützt werden, die bereits vor Ort tätig sind und über entsprechende Erfahrung verfügen, bzw. Kontakte zu lokalen Einrichtungen und Organisationen haben, welche konkrete Bedarfe angezeigt haben.
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