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Hoffentlich macht Til Schweiger nicht auch noch Entwicklungsprojekte in Syrien

Gastbeitrag von Dr. Tobias Denskus (@aidnography)

Die Einsendung des folgenden Gastbeitrages hat sich mit der gestrigen Talkshow von Sandra Maischberger überschnitten, in der Til Schweiger ankündigte, sein „Vorzeige-Flüchtlingsheim“ im Harz erst mittelfristig zu eröffnen, aber stattdessen ab kommender Woche eine Einrichtung in Osnabrück unterstützen zu wollen. Das berührt einen Kernpunkt des Gastbeitrages: Ursprünglich tolle Pläne lassen sich eben meist doch nicht im Handumdrehen umsetzen, wenn man erst einmal mit der praktischen Umsetzung begonnen hat. 

Über Til Schweigers Engagement für eine Flüchtlingsunterkunft wird gerade kontrovers diskutiert. Dass Prominente sich durch praktische (Hilfs)Projekte zu nationalen und internationalen Themen einbringen ist global kein neues Phänomen, aber der Ton der in der aktuellen Debatte vorherrscht macht eine sachlich Kritik schwierig, gerade wenn es um die ‚gute’ und ‚richtige’ Sache geht. Prominente ignorieren oft sachliche Kritik und glauben, durch finanziellen Status, Anwesenheit und mediale Aufmerksamkeit komplexe Probleme ‘lösen’ zu können für die Experten offenbar zu langsam, faul oder inkompetent sind.

Am Anfang steht dabei die gute Idee, beziehungsweise eine nach Bauchgefühl oder ‘gesundem Menschenverstand’ gut erscheinende Idee. Ob Oprah Winfreys Eliten-Akademie für Mädchen in Südafrika, Madonnas Waisen-Engagement in Malawi, Sean Penns humanitäre Aufbauarbeit in Haiti oder George Clooneys politische Lobbyarbeit in (Süd)Sudan, all diese Ideen sehen auf dem Papier erst mal ‘richtig’ aus und folgen der Mantra-haft wiederholten Logik, dass ‘irgendetwas’ zu tun immer besser ist als gar nichts zu tun.

Aufmerksamkeit ist nicht genug – es muss „angepackt“ werden

Natürlich ist die Aufmerksamkeit die Prominente liefern können eine handfeste Währung im medialen Zeitalter, aber die heutige Generation der Prominenten will nicht nur Flüchtlingslager besuchen oder der Aufbauarbeit zusehen, sie wollen mit MACHEN. Und dann fangen die Probleme in der Regel erst an.

Til Schweigers Plan, eine Vorzeige-Flüchtlingsunterkunft’ in Osterode zu eröffnen reiht sich nahtlos in derartigen Aktionismus ein. Über den Ton in dem Schweiger öffentlich zum Beispiel über Facebook kommuniziert kann man geteilter Meinung sein, aber sie trägt zu einem Menu mit den bekannten Zutaten bei: Mediale/digitale Öffentlichkeit herstellen (Facebook, traditionelle Medien), Abkürzungen durch Schulterschluss mit formal mächtigen Personen, z.B. Politiker, und ein handfestes, greifbares Projekt mit klarem Ziel (Flüchtlingsunterkunft, Schul-Bau, Eliten-Akademie) um am Ende mit einer Stiftung oder ähnlichen Konstruktion eine eigene Plattform zu haben.

Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht

Durch den moralischen Ton sind Diskussionen fast unmöglich – man möchte ja nicht die Person sein die gegen Armutsbekämpfung, Ausbildung oder Flüchtlinge ist. In der globalen entwicklungspolitischen Diskussion sind derartige Vorhaben oft und gerne diskutierte Beispiele; in der Praxis zeigt sich aber eben auch sehr schnell, dass nach wie vor gilt: ‘gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht’.

Als Entwicklungs- und Kommunikationsforscher liegt mir wenig daran einen Menschen wie Til Schweiger als ‘Trottel zu diffamieren’ wie es Hannah Beitzer in der SZ formuliert, aber konstruktive Kritik muss möglich sein auch wenn von vielen Seiten gepöbelt wird und Til Schweiger in seinen Kommentaren entsprechend kontra gibt.

Die „Prominenten-Abkürzung“

Til Schweiger nimmt wie viele andere Personen des öffentlichen Lebens eine ‘Prominenten-Abkürzung’: ohne formale Qualifikationen, Arbeitserfahrung im Problembereich und bewusst mit wenig institutioneller Anbindung krempelt Schweiger ganz männlich, ganz seinem Macho-Filmimage entsprechend die Ärmel hoch und will ‘machen’-richtig und besser machen als inkompetente Politiker, faule Bürokraten, Wissenschaftler im Elfenbeinturm und zivilgesellschaftliche Formularausfüller. Wir sehen ja, dass etwas falsch läuft: Flüchtlinge in Zelten, hungernde Kinder oder Wasser schleppende Frauen in Afrika sind ja sichtbare Beweise-und die Lösung scheint entsprechend einfach: Gute Unterkünfte, Nahrungsmittelspenden oder ein Brunnenbau – kann ja nicht so schwer sein!

Und dann kommt der enttäuschende Moment, wo langsam klar wird, dass das Problem eben doch komplizierter und längerfristiger ist und viele Mosaiksteinchen zur Lösung professionelle Expertise benötigen. Einfache Kausalketten sind selten richtig, aber Til Schweiger ist jetzt nicht der Typ der sich in eine Konferenz setzt in der man EU-Einreise- und Visa-Bestimmungen diskutiert um zu sehen, wie man langfristig Fachkräfte nach Europa holen kann. Til Schweiger ist auch nicht der Typ der sich in einen niedersächsischen Koordinierungsausschuss für Flüchtlinge setzt-bei so was wird doch nur Zeit verplempert. Im T-Shirt Kaltgetränke mit Sigmar Gabriel trinken signalisiert Tatkraft-eben genau das, was überwiegend (weiße) Männer des globalen Nordens gerne in die ‘Dritte Welt’ exportieren.

Lautes Trommeln statt nuancierter Diskusisonen

Leider scheinen die Person Til Schweiger und das Thema, bzw. die schrillen Töne von vielen Seiten nicht zugänglich zu sein für reflektierte Diskussionen – aber das ist eben auch ein typischer Aspekt von Prominenten-Engagement: Es ist dringend und kann nicht warten und der physisch starke ‘Held’ muss sofort eingreifen. Wie so oft vermischen sich Realität, Medienimage und Wunschdenken wenn Prominente zu Werk gehen, schließlich kann Tatort-Kommissar Schweiger auch Fälle in 90 Minuten lösen oder Oprah Winfrey konnte durch ihre Talkshows Menschen helfen.

Natürlich wünsche ich dem Menschen und Bürger Til Schweiger viel Erfolg mit seinem Projekt-ich bin niemand, der Eiskunstläuferinnen gerne stürzen sieht’ wie Roger Willemsen einen bestimmten Schlag Mann/Mensch treffend beschrieben hat, aber ich würde mir auch wünschen wenn der prominente Schauspieler Til Schweiger mit mehr Bescheidenheit zu Werke gehen würde.

Was fehlt: Eine ehrliche Debatte über Chancen und Grenzen des „Promi-Engagements“

Am Ende des Tages sollte es auch in der deutschen Öffentlichkeit eine ehrliche Debatte zu den Chancen – aber auch den vielen Grenzen – die prominentes ehrenamtliches Engagement mit sich bringt geben. Ein satirisch-zynischer SPON-Artikel hilft da eher weniger weiter, aber das halbblinde Vertrauen, dass Prominente gutes im Sinn haben und Gutes produzieren muss hinterfragt werden – ganz unaufgeregt, vielleicht sogar langweilig mit ExpertInnen, WissenschaftlerInnen und all denen, die schon viele Krisen gesehen haben und wissen, wie schwierig scheinbar einfache Lösungen sein können.

Es ist verführerisch, insbesondere SchauspielerInnen mit ihren Rollen gleichzusetzen und viele Prominente sind nicht gewohnt sich sachlichen, detaillierten Debatten zu stellen. Und natürlich haben Bekannte, die als Fachkräfte in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind versucht ein Selfie mit Clooney in Sudan zu schiessen – man kann und soll das menschliche Element natürlich nicht ausschließen; in unserem mediatisierten Zeitalter sind Kommunikation, Aktion und Reflexion sehr eng miteinander verbunden.

Hoffentlich ist Til Schweiger offen für Reflexion und Lernen bevor wir als nächstes Berichte sehen und lesen, wie er in Syrien beim Wiederaufbau von Schulen hilft…

Dr. Tobias Denskus ist Senior Lecturer in Communication for Development, Malmö Universität
Twitter: @aidnography
Blog: Aidnography

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