Afrika, Politik und Gesellschaft
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HIV/AIDS: Zur aktuellen Situation weltweit

Schon lange wollte ich diesen Beitrag geschrieben haben, doch erst jetzt, knapp zwei Monate nach dem letzten Weltaidstag (1.12.) bin ich dazu gekommen.

Mein ursprünglicher Arbeitsschwerpunkt in der EZ war HIV/AIDS in Ostafrika. Mein Forschungsinteresse galt der Ausbreitung lokaler NGOs, die sich des Themas annehmen, ein Bereich, den ich nach wie vor extrem spannend finde. Später habe ich dann im Bereich HIV/AIDS-Prävention am Arbeitsplatz gearbeitet, und auch wenn es derzeit nicht den Schwerpunkt meiner Tätigkeit bildet, so liegt mir das Thema dennoch weiterhin am Herzen.

Welches sind die weltweiten Trends?

Um die Jahrtausendwende wurde meist ein düsteres Bild gezeichnet von der Bedrohung durch HIV/AIDS für das Leben von Millionen Menschen. Vor allem im Zusammenhang mit afrikanischen Ländern wurde vor indirekten verheerenden Auswirkungen der HIV/AIDS-Epidemie gewarnt, etwa den Folgen für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaften, wenn ganze Elterngenerationen sterben und Kinder und Jugendliche auf sich alleine gestellt bleiben oder von oft überforderten Großmüttern aufgezogen werden. Auch der Zusammenbruch der Bildungssysteme durch den Tod von LehrerInnen und wirtschaftliche Schwierigkeiten durch den erwarteten Mangel an Arbeitskräften waren oft geäußerte Befürchtungen.

Inzwischen sind die Aussichten vorsichtig positiver. Die Infektionsraten sinken und vor allem in Afrika südlich der Sahara sind die Aussichten weit besser als vor zehn Jahren – auch wenn hier nach wie vor einige der Länder mit den höchsten Infektionsraten weltweit liegen und auch wenn es nach wie vor keine Möglichkeit gibt, AIDS zu heilen.

Trotz alledem gehört der globale Kampf gegen HIV/AIDS zu den erfolgreichsten internationalen Bewegungen der letzten Jahrzehnte.  Dies einmal wegen der erzielten medizinischen Fortschritte, aber ebenfalls aufgrund der breiten politischen Unterstützung, die es von Anfang an gab, insbesondere auch unter westlichen PolitikerInnen. Mit dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Malaria und Tuberkulose wurde ein wichtiges – wenn auch nicht immer unumstrittenes  – multilaterales Instrument zur Förderung im Kampf gegen die drei Krankheiten geschaffen.  Außerdem war die Bewegung von Anfang an eine der von HIV und AIDS Betroffenen und keine vorwiegende Solidaritätsbewegung („the history of AIDS is the clearest example of why the advocacy ‘professionals’ should get out of the way and let the people who need to know ask the powerful how much they think their lives are worth“ Kirsty McNeill).

Entsprechend lautet das Ziel von UNAIDS nun: Getting to Zero – denn anders als vor zehn Jahren erscheint die Vorstellung keineswegs mehr unrealistisch, dass es eines Tages keine Neuinfektionen, keine HIV/AIDS-bedingten Todesfälle und auch keine Diskriminierung von Menschen mit HIV/AIDS mehr geben könnte.

Daher eine kurze Bilanz des letzten Jahrzehnts, in dessen Verlauf sich viele Trends im Bereich HIV/AIDS gewandelt haben.

Neueste Zahlen zu HIV und AIDS

HIV AIDS Dtl

Quelle: Robert Koch-Institut

  • Ende 2012 leben in Deutschland rund 78.000 Menschen mit einer HIV-Infektion (bei rund 18% davon ist die Infektion nicht diagnostiziert)
  • 2012 gab es schätzungsweise 3.400 Neuinfektionen mit HIV
  • Seit 2001 steigen die Infektionsraten in Deutschland leicht an.
Rückgang der HIV-Infektionen weltweit; Quelle: UNAIDS

Rückgang der HIV-Infektionen weltweit; Quelle: UNAIDS

  • Weltweit lebten 2011 34 Millionen Menschen mit einer HIV-Infektion (schätzungsweise die Hälfte ohne ihren Status zu kennen)
  • Es gab rund 2,5 Millionen Neuinfektionen
  • Von 14,8 Millionen Menschen, die eine Behandlung benötigten, erhielten nur 8 Millionen eine solche

Galt lange Afrika südlich der Sahara als am stärksten betroffen, so breitet sich HIV weltweit derzeit am schnellsten in den Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas, Zentralasien und Osteuropa aus (zwischen 2001 und 2011 z.B. in Georgien oder Moldawien um 25%).

Erfolge

Als großen Erfolg meldet UNAIDS, dass es in 2011 über 700.000 weniger Neuinfektionen gab als 2001 und es vielen Ländern innerhalb von 10 Jahren gelungen ist, die Epidemie wirksam einzudämmen. In 25 Ländern mit niedrigen und mittleren Pro-Kopf-Einkommen (low and middle income countries), darunter viele afrikanische, ging die Zahl der Neuinfektionen innerhalb von 10 Jahren um die Hälfte zurück, zum Beispiel in

  • Malawi: Verringerung der Neuinfektionen um 73%
  • Botswana:  Verringerung der Neuinfektionen um 71%
  • Südafrika: Verringerung der Neuinfektionen um 41%.

Weltweit sind die durch AIDS bedingten Todesfälle zwischen 2005 und 2011 um 50% zurückgegangen.

Gründe für den Erfolg

Die Gründe für den Erfolg sind zahlreich und es zeigt sich auf globaler Ebene, dass eine ganze Reihe von Faktoren zusammenwirken, damit eine Epidemie dieses Ausmaßes bekämpft werden kann. Die Ansätze müssen global sein, dabei aber immer auf lokale Besonderheiten abgestimmt sein.

Schon in den 1990er Jahren wurden eine ganze Reihe von Präventionsprogrammen entwickelt und durchgeführt, deren Erfolge langsam greifen. Dies umfasst ganz unterschiedliche Bereiche wie z.B. eine bessere Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten (da diese Infektionen eine Ansteckung mit HIV begünstigen) oder die rechtzeitige Versorgung HIV-positiver Schwangerer zur Vermeidung der Übertragung von HIV auf Babys.

Prävention findet außerdem in vielfältigen Kommunikationsmaßnahmen statt, die Menschen zum Ändern ihres Verhaltens bewegen wollen, etwa dazu, Kondome zu benutzen oder sich regelmäßig auf HIV testen zu lassen. Die Wirksamkeit solcher Kommunikationsmaßnahmen ist umstritten – ich persönlich halte grundsätzlich sehr viel von Ansätzen dieser Art, allerdings müssen sie sehr gut vorbereitet werden und sehr gut auf individuelle lokale Besonderheiten abgestimmt sein, was meistens nicht der Fall ist. Auch lässt sich die Wirkung solcher Maßnahmen oft erst nach langer Zeit feststellen – jede/r weiß von sich selbst, wie schwierig es sein kann, alte Gewohnheiten zu ändern, auch wenn es sich möglicherweise positiv auf die eigene Gesundheit auswirkt. Mit dem Rauchen aufhören, weniger Schokolade essen, sich mehr bewegen – wir alle wissen, dass dies unser Leben verlängern kann, aber wie oft schaffen wir es, „vernünftig“ zu handeln?.

Dahinter steht natürlich der Einsatz großer finanzieller Ressourcen, die zu einem großen Teil von westlichen Geberländern und –strukturen bereitgestellt wurden. Es zeigt sich jedoch der verstärkte Trend, dass Länder des Südens selbst immer mehr eigene Mittel in den Kampf gegen HIV/AIDS investieren (country ownership). Dies ist wichtig, da die internationalen Mittel auf längere Sicht eher sinken als weiter steigen werden.

Dies ist wiederum teils verursacht durch gesunkene Preise für Medikamente und Therapien: In einigen Ländern sind die Kosten für eine antiretrovirale Therapie für eine Patientin innerhalb von 10 Jahren von 10.000 US$ auf rund 100 US$.

Nicht zufriedenstellend ist aber der weiterhin bestehende treatment gap, welcher beschreibt, dass es HIV-Infizierte und AIDS-Kranke gibt, die der Behandlung bedürfen, sie aber nicht erhalten, etwa, weil es schlicht keine Angebote vor Ort gibt oder den Betroffenen das Geld oder die Möglichkeit fehlt, zu einem Therapiezentrum zu reisen, etc. UNAIDS schätzt, dass diese Lücke auf absehbare Zeit zwar kleiner werden wird, jedoch nicht geschlossen werden kann, da keine ausreichenden Mittel vorhanden sind.

Treatment Gap; Quelle: UNAIDS

Treatment Gap; Quelle: UNAIDS

Neue Studie: Warum ist die HIV-Infektionsrate in Uganda gesunken?

Hier der Verweis auf eine im Oktober 2012 veröffentlichte Studie, die untersucht, welche Faktoren in Uganda eine Rolle gespielt haben. Uganda gilt als Erfolgsbeispiel, da sich hier in den 1980er Jahren die Epidemie besonders schnell ausbreitete, es dem Land aber relativ rasch gelungen ist, sie einzudämmen.

Die Studie kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass das Sinken vorehelicher sexueller Kontakte junger Frauen wesentlich zur Verringerung der Infektionsrate beigetragen hat. Dies wiederum steht im Zusammenhang mit der wachsenden Zahl junger Frauen, die eine weiterführende Schule besuchen. Uganda hat 1990 seine Bildungspolitik dahin geändert, das Frauen der Zugang zu Universitäten erleichtert wird – dies könnte, so die AutorInnen der Studie, für ein Fünftel des gesamten Rückgangs der Infektionszahlen seit 1990 verursacht haben.

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