… steht eine starke Frau, so ein beliebter Spruch.
Heute schreibt die SZ über Michelle Obamas Einfluss auf ihren Mann, den Präsidenten der USA, garniert mit der Überschrift „Heimliche Herrscherin“. Anlass ist ein in den USA erschienenes „Enthüllungsbuch“ – ein Begriff, der selten Gutes ahnen lässt.
Der Artikel bringt wenig Neues, außer der Erkenntnis, dass Obama sich anscheinend vor wichtigen Entscheidungen mit seiner Frau (!) berät, die wiederum nicht immer einer Meinung mit seinen Beratern ist. Aber was bitte soll denn so skanadlös daran sein, dass der Präsident der USA sich in wichtigen Fragen mit seiner Frau berät (die – oho – öfters nicht der gleichen Meinung wie die präsidentialen Berater ist)?
Ist es nicht selbstverständlich, dass sich Paare, die in einer gleichberechtigten Beziehung leben, oft gegenseitig um Rat fragen und auch gegebenenfalls die Meinung des Partners zum Anlass nehmen, die eigene Meinung in Frage zu stellen oder gar zu revidieren? Auch und gerade in beruflichen Dingen?
Michelle Obama hat selbst eine beachtliche berufliche Karriere hingelegt (u.a. in einer Anwaltskanzlei, in der sich die Obamas kennenlernten) und hatte zeitweise ein höheres Jahresgehalt als ihr Mann – das dürfte sie durchaus zur Ratgeberin mit gewissem Sachverstand und ebensolcher Intelligenz qualifizieren.
Die „böse Hexe“ ist nicht totzukriegen
Es ist wirklich unzeitgemäß mit Berichten dieser Art das Bild von der „bösen Hexe“ im Hintergrund weiter am Leben zu erhalten (auch über Hillary Clinton wurde in ihrer Zeit als First Lady vielfach ähnlich berichtet). Auch hierzulande lassen sich ähnliche Tendenzen gegenüber „starken Frauen“ hinter erfolgreichen Politikern erkennen, etwa in der andauernden Berichterstattung um die leidigen Affären des Bundespräsidenten.
Häufiger war zuletzt vom Einfluss seiner Frau auf sein Tun zu lesen, meist mit einem gewissen Unterton (die böse Frau flüstert dem guten Mann Unredliches ein). Ohne zu bewerten, was Herr und Frau W. zu irgendeinem Zeipunkt getan und gesagt haben, finde ich doch, dass diese Art der Berichterstattung ebenfalls zu weit geht. Zunächst einmal ist jede/r Mensch selbst verantwortlich für sein Tun – und moralisch fragwürdige Entscheidungen zeugen zuallererst einmal von einer Charakterschwäche der Person, die diese Entscheidung getroffen hat.
Die Frau im Hintergrund erscheint vielen BeobachterInnen suspekt: zu auffällig (sowohl in der Berichterstattung über Michelle Obama als auch über Bettina Wullf wird immer wieder betont, wie gut sie aussehen und wie modisch sie sich anziehen), karrierebewußt (beide waren beruflich erfolgreich, bevor die Männer ihre jeweiligen Ämter übernahmen) und vor allem mit einer eigenen Meinung ausgestattet, die ihre Männer ernst nehmen – was anscheinend als bedrohlich angesehen wird.
Kann man sich vorstellen, dass eines Tages ein Enthüllungsbuch über die Rolle von Angela Merkels Mann auf ihre politischen Entscheidungen erschiene? Was wären die Assoziationen dazu? Vermutlich weniger kritische, denn immerhin ist „Herr Merkel“ Joachim Sauer Professor und besitzt daher eine gewisse Reputation. Wäre eine ähnliche Empörung denkbar, wenn morgen enthüllt würde „Merkel berät sich in Euro-Krise mit ihrem Mann?“
Es wird wohl noch lange dauern, bis sich das Bild der „Politikergattin“ in den Köpfen gewandelt hat, hin von der Lady, die in Hannelore-Kohl-hafter Unscheinbarkeit still an der Seite ihres Mannes repräsentiert zur gleichberechtigten Frau mit eigener Meinung und entsprechendem Selbstbewußtsein.
Vielleicht müssen auch einfach mehr Politikergattinen nach Ende der Amtszeiten der Männer in die aktive Politik gehen und zeigen, dass sie es auch können (vielleicht sogar besser). Hillary Clinton hat es vorgemacht und überraschenderweise warfen in dieser Woche bereits zwei bekannte deutsche Frauen ihre Hüte in den Ring. Und heute ist erst Mittwoch.
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