Nicht erst seit ich als Lehrbeauftragte und Mentorin tätig bin werde ich häufiger gefragt, wie es möglich ist, den Einstieg in die Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere bei einer NGO, zu schaffen. Grundsätzlich gibt es viele Wege, die in die EZ führen und die folgende Auflistung ist eher als willkürliche Auswahl denn als vollständiges „How to…“-Lexikon zu verstehen. Hier habe ich zunächst einmal diejenigen Tipps aufgeschrieben, die ich in den vergangenen Monaten mehrfach weitergegeben habe.
Welche Erfahrungen und Tipps könnt Ihr noch teilen?
1. Folge Deinen Interessen
Ein simpler Ratschlag, für den es doch gelegentlich etwas Ermunterung braucht. „Die EZ“ oder Entwicklungszusammenarbeit ist ein weites Feld und mögliche Tätigkeiten sind äußerst vielfältig. Daher ist wichtig, sich einige Fragen ehrlich zu beantworten, etwa:
- Warum möchte ich in die EZ gehen? (Tipp: „Die Welt retten“ reicht nicht – man darf auch so ehrlich sein und egoistische Motive – etwas von der Welt sehen wollen, interessante Menschen und Themen kennen lernen – zulassen.)
- Welcher Persönlichkeitstyp bin ich? (z.B. die extrovertierte Fundraiserin oder eher die effiziente, in sich ruhende Organisatorin im Hintergrund)
- Welche Fähigkeiten zeichnen mich aus und was kann ich in eine zukünftige Position einbringen? (Gemeint sind nicht unbedingt die Bewerbungsratgeberstandards „teamfähig“ und „belastbar“)
- Soll meine zukünftige Tätigkeit eher im Büro in Deutschland oder „im Feld“ vor Ort liegen?
Das ist keine abschließende Liste, sie soll nur verdeutlichen, dass zur Berufswahl eine klare Vorstellung der eigenen Stärken, Schwächen, Vorlieben und Fähigkeiten gehört.
2. Die Abschlussarbeit nutzen
Meinen ersten Job habe ich durch Kenntnisse erhalten die ich durch ein Praktikum und meine Magisterarbeit (beides zum Thema HIV/AIDS in Tansania) erworben hatte. Dementsprechend rate ich v.a. Studierenden, die sich für eine Tätigkeit im EZ-Bereich interessieren, das Thema ihrer Abschlussarbeit im Hinblick auf eine spätere Tätigkeit zu wählen, evtl. sogar in Kooperation mit einer Organisation der EZ. Gelegentlich werden Projekte für Abschlussarbeiten vergebe. Einige Organisationen wie z.B. das World Vision Institut bieten ausdrücklich an, Abschlussarbeiten in Kooperation mit den dortigen WissenschaftlerInnen zu schreiben.
Wer etwas in dieser Richtung vorhat, dem empfehle ich, einfach einmal bei Organisationen, die zum eigenen Thema passen könnten, anzufragen. Dabei ist es gut, bei der Ausformulierung der Forschungsfrage flexibel zu sein, damit sie an die Bedürfnisse der jeweiligen Organisation angepasst werden kann – so können beide Seiten profitieren.
Wer im Prozess merkt, dass das Thema vielleicht doch nicht so viel hergibt oder andere Bereiche für die spätere Tätigkeit eher in Frage kommen – kein Grund zu verzagen: eine Abschlussarbeit bedeutet nicht, dass man sich für alle Ewigkeit auf dieses Thema spezialisieren muss, kann aber eben ein Einstieg in eine bestimmte Position sein.
3. Sollte ich mich auf ein inhaltliches Fachgebiet spezialisieren?
Public Health, ökologische Landwirtschaft oder Fairer Handel sind komplexe Themen, für die viele Organisationen ExpertInnen anstellen. Wer die Möglichkeit hat, sich über Aus- oder Weiterbildung oder Studium und ein entsprechendes Abschlussprojekt entsprechend zu qualifizieren, kann dies im weiteren Berufsleben ausbauen. Auch der Einstieg über Traineestellen hilft oft, einen Fuß in die Tür eines bestimmten Fachgebietes zu bekommen, in dem man sich on the job weiterbilden kann (und sollte).
Aber man muss nicht in jedem Fall ein bestimmtes inhaltliches Fachgebiet beherrschen. Technische Fähigkeiten sind ebenfalls gefragt. So sind Logistiker in der Humanitären Hilfe gesucht, ebenso ExpertInnen im Bereich Kommunikation oder Fundraising, Projektentwicklung oder der Erstellung von Förderanträgen. Zudem werden auch Fachleute in den Bereichen Training und Organisationsentwicklung benötigt – ebenfalls Bereiche, die über Abschlussarbeiten oder Weiterbildungsprojekte abgedeckt werden können.
Schließlich werden auch immer noch bestimmte Berufsbilder gesucht wie etwa Hebammen, Krankenpfleger, oder HandwerksmeisterInnen (willkürliche Auswahl) – nicht zwingend muss es ein Studium sein, das in die EZ führt. Die Tendenz geht aber schon dahin, beobachte ich.
4. Aufbaustudien und Fortbildung
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Aufbaustudiengängen im Bereich EZ, die teils auch berufsbegleitend absolviert werden können und die sowohl für Berufsein- als auch für QuereinsteigerInnen interessant sind (wieder gilt in Folgenden: keine vollständige Auflistung, sondern nur einige bekannte Beispiele zur Illustration).
- Master-Studiengänge, wie z.B. International Development Studies, Universität Marburg, Development Management, Universität Bochum, Agricultural Sciences in the Tropics and Subtropics, Universität Hohenheim oder Public Health (bieten inzwischen relativ viele Universitäten an).
- Postgraduiertenstudiengänge des Seminar für ländliche Entwicklung (SLE) in Berlin oder des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn von Interesse sein
- Berufsbegleitende Angebote wie z.B. derMaster-Fernstudium Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit, TU Kaiserslautern oder der Masterstudiengang Evaluation an der Universität Saarbrücken
- Fortbildung in bestimmten Schwerpunkten, etwa Evaluierung, z.B. die Fortbildung von Evaluationsfachkräften in der Entwicklungszusammenarbeit (FEEZ), systemischer Organisationsberatung, etwa bei Como Consulting, Hamburg oder denkmodell in Berlin oder internationalem Projektmanagement, Gesellschaft für Nachhaltige Entwicklung (GNE) Witzenhausen
Viele zivilgesellschaftliche und kirchliche Organisationen bieten regelmäßig interessante (und meist günstige) ein- oder mehrtätige Seminare, Tagungen und Fortbildungsangebote an, die oft auch Nichtmitgliedern offen stehen. Diese qualifizieren nicht notwendigerweise für eine Tätigkeit, vermitteln aber Grundkenntnisse oder nützliche Techniken und ermöglichen den Aufbau interessanter Kontakte in die „Szene“; ein Beispiel: die Qualifizierungsreihe „Globales Lernen“ des VEN Niedersachsen. Anlaufstellen sind z.B.
- entwicklungspolitische Landesnetzwerke wie VEN Niedersachsen, Eine Welt-Netzwerk Hamburg, etc., sind gute Anlaufstellen (hier die Liste aller Netzwerke in Deutschland)
- kirchliche Entwicklungsdienste wie der Kirchliche Entwicklungsdienst der Nordkirche (KED) bieten ebenfalls interessante Veranstaltungen an
- Regionale oder themenspezifische Netzwerke wie z.B. das Tanzania-Network
- Volkshochschulen, Tagungshäuser und weitere Einrichtungen der Erwachsenenbildung: Diese bieten oft Seminare zu einschlägigen Themen an, bei denen man gut Kontakte knüpfen kann. Dazu suchen sie im Übrigen auch immer wieder ReferentInnen – wer also z.B. eine Abschlussarbeit zu einem relevanten Thema verfasst (hat) oder über besondere thematische oder regionale Kenntnisse verfügt, könnte als ReferentIn für eine entsprechende Einrichtung interessant sein.
In Teil 2 gibt es weitere nützliche Tipps, etwa zu Sprachkenntnissen oder dem Netzwerken.
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