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Rezension: Fair Trade. Eine global-lokale Geschichte am Beispiel des Kaffees

Quaas

Ich trinke gerne und viel Kaffee. Nicht zuletzt dadurch, dass ich einige Zeit in tansanischen Kaffeeanbaugebieten gelebt habe (Kilimanjaro, Mbeya), interessiere ich mich auch sehr für die Themen Kaffeeanbau und -verarbeitung sowie den Fairen Handel. Wenn ich Kaffee kaufe, versuche ich solchen zu  kaufen, mit dem ich die Produzierenden möglichst gut unterstützen kann.

Kürzlich fiel mir daher der Band „Fair Trade“ auf. Dabei handelt es sich um die Dissertation des Autors Ruben Quaas, der darin die Entstehung und die Bedeutungszuschreibung des Fairen Handels am Beispiel Kaffee in Deutschland untersucht.

Zugegeben, ich hatte den Klappentext nicht ganz so aufmerksam gelesen und erwartete eine intensivere Diskussion über das Konzept des Fairen Handels. Diese findet nur indirekt statt – ist aber auch nicht das Hauptanliegen des Buches. Der Autor beschreibt sehr detailliert, wie sich zunächst in kirchlichen Kreisen seit Ende der 1960er Jahre eine Solidaritätsbewegung für die „Dritte Welt“ formiert und wie Kaffee als ideales Produkt zum Symbol eines gerechterteren Handels zwischen „Entwicklungs-“ und „Industrieländern“ wird. Die Untersuchung endet mit der Gründung des Trans Fair-Siegels 1992, da der Autor der Ansicht ist, dass mit der damit verbundenen Etablierung des Fairen Handels auf dem Massenmarkt eine Reihe von Aushandlungsprozessen an ihr Ende kamen.

Kaffee: Vom Konsum zur Demonstration der Solidarität zum Produkt des Massenkonsums

Kaffee, so Quaas, ist geeignet, um die Entwicklung des Fairen Handels nachzuzeichnen, weil es von Beginn an eines der wichtigsten und umsatzstärksten Produkte war. Gleichzeitig lässt sich am Beispiel Kaffee bestens darstellen, wie sich Ziele und Bedeutungen innerhalb des Fairen Handels über die Zeit gewandelt haben.

Ende der 1960er Jahre begannen kirchliche Gruppen, ihre Solidarität mit Menschen im globalen Süden (der „Dritten Welt“) mittels Aktionen zur Bewußtseinsbildung über globale Ungerechtigkeit zu zeigen. Kaffee als „Mittler“ zwischen verschiedenen Regionen war ein geeignetes Produkt dafür. Über die Zeit bekam der Kaffee auch politische Bedeutung, nämlich als er in den 1980er Jahren eine wesentliche Rolle innerhalb der Solidaritätsbewegung für Nicaragua spielte.

Die Darstellung des Bedeutungswandels des zunächst „solidarischen“, später „alternativen“ Kaffees in den 1970er und 1980er Jahren nimmt den Hauptteil des Buches ein und liest sich spannend. Die Perspektive liegt dabei auf den verschiedenen Akteuren und Organisationen und wie sich ihr jeweiliges Rollenverständnis im Kontext der sich ändernden gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse (Kalter Krieg, Weltmarktpreise, Wachsen der Solidaritäts- und Umweltbewegung in Deutschland) entwickelte.

Die Untersuchung endet mit der Einrichtung des Trans Fair-Siegels 1992 und bietet nur einen kurzen Ausblick auf die Zeit danach. Quaas argumentiert, dass fair gehandelte Produkte seitdem Teil des Massenkonsums sind und daher nicht mehr ein eigenes „Feld des Fairen Handels“, das dem Umfeld der Solidaritätsgruppen und Weltläden entspricht, existiert.

Das Trans Fair-Siegel als „Ende der Geschichte“?

Hier stimme ich nicht mit dem Autor überein und hatte gegen Ende des Buches das Gefühl, dass ein „Band 2“ folgen müsste, in dem die Geschichte des Fairen Handels seit 1992 ähnlich aufgearbeitet wird. Verständlich, dass im Rahmen einer historischen Untersuchung ein entsprechender Zeitraum abgesteckt werden muss, aber ich kann der Argumentation des Autors für die Jahreszahl 1992 nur bedingt zustimmen.

Seitdem hat sich das Image des Fairen Handels stark gewandelt: Vom ersten Indio-Kaffee, der mit politischem Anspruch nach einem gerechteren Welthandelssystem ver- und gekauft wurde hin zu den Produkten mit dem Trans Fair-Siegel, die keinen Anspruch mehr vertraten, globale Verhältnisse zu ändern, sondern explizit mit der Unterstützung von Kleinbauern warben.

Daher wäre es umso spannender, die Entwicklungen seit 1992 im Hinblick darauf zu analysieren, ob sich der Faire Handel und die KonsumentInnen eher entpolitisiert haben – oder ob vielleicht ganz andere Prozesse ablaufen.

Lesenswert aus historischer Perspektive

Zurück zum Buch. Wer sich für die historische Entwicklung des Fairen Handels in Deutschland interessiert, findet mit „Fair Trade“ eine spannende Quelle. Insbesondere die vielen Details über die Entwicklung des Fairen Handels aus den Anfängen in der kirchlichen Solidaritätsbewegung bis hin zur Etablierung erster Produkte im Supermarkt verändern und erweitern den Blick auf das Thema Fair Trade für Menschen wie mich, die in den 1980ern aufgewachsen sind und daher die Anfänge der „Dritte-Welt-Bewegung“ nicht selbst erlebt haben.

Wer sich hauptsächlich über Für und Wider des Fairen Handels informieren will, oder aber an aktuellen Entwicklungen interessiert ist wird hier allerdings nicht fündig – was aber auch nicht Anliegen des Buches ist.

Obwohl es sich um eine eine wissenschaftliche Arbeit handelt, liest sie sich weitgehend flüssig und ohne komplizierte Sätze oder Begriffe. Interessant sind die verwendeten Bilder der ersten fair gehandelten Kaffeeverpackungen und gelegentlich verwendeten Grafiken zu Marktentwicklungen im Kaffeehandel. Einzig etwas anstrengend sind die sehr vielen, sehr langen Fußnoten, die oft die Hälfte einer Seite umfassen und vom eigentlichen Text ablenken.

 

Quaas, Ruben 2015. Fair Trade. Eine global-lokale Geschichte am Beispiel des Kaffees. Köln: Böhlau Verlag.
ISBN 978-3-412-22513-1
39,90 Euro

Der Böhlau Verlag hat mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

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