Der folgende Beitrag ist die Übersetzung eines Artikels von Anna Ashenden (@a_ashenden), Projektmanagerin in einer jugendgeführten Gesundheitsinitiative in Darwin, Australien, und Studentin im Master International and Community Development. Dieser Beitrag ist zuerst auf WhyDev.org erschienen und anschließend auf Annas Blog.
Es braucht mehr als symbolische Gesten, um Jugendpartizipation umzusetzen
Eine der zentralen Forderungen auf der ICPD Global Youth Conference in Bali im Dezember 2012 ist die Notwendigkeit einer besseren Beteiligung Jugendlicher innerhalb aller Diskussionen, Planungen und Projekte der Entwicklungszusammenarbeit.
Als junger Mensch, der ein Projekt leitet, in dem sich Jugendliche engagieren, reflektiere ich im Folgenden darüber, was Jugendpartizipation meint. Außerdem habe ich einige Richtlinien zusammengestellt, die dabei helfen, Jugendlichen wirklich eine Stimme zu geben – damit Partizipation nicht bloß ein Punkt auf einer abzuhakenden Liste bleibt.
Was ist Jugendpartizipation?
Jugendpartizipation [oder Jugendbeteiligung] bedeutet, dass Jugendlichen eine bestimmte Funktion innerhalb der Struktur einer Organisation (oder eines Projektes, etc., …) zukommt. Dies kann auf viele verschiedene Arten geschehen, grundsätzlich bedeutet es jedoch Konsultation, Beteiligung an Entscheidungen sowie eine Art der Repräsentation, die die Rolle Jugendlicher wertschätzt.
Eine ernsthafte Umsetzung von Jugendbeteiligung stellt sicher, dass Programme und Dienstleistungen relevant und zielgerichtet realisiert und bestehende Bedürfnisse junger Menschen erfüllt werden. Jugendliche müssen in diesen Prozessen klar mitteilen dürfen und können, was ihnen wichtig ist. Auch müssen sie stets Einfluss nehmen können auf Entscheidungen, die sie betreffen, ihre Fähigkeiten dabei stärken sowie ihr Selbstvertrauen und damit die Verankerung ihrer Aktivitäten in ihren Gemeinden steigern.
Auf diese Weise können die betreffenden Organisationen junge Menschen mit ihren Kampagnen und Programmen viel effektiver erreichen, ihr Interesse wecken und als Fürsprecher für ihre Interessen und Bedürfnisse auftreten. Auch steigert das Beachten dieser Prinzipien die Wirkung der jeweiligen Programme, weil es den Fokus mehr auf Stärken denn auf Schwächen legt. Dies kann dazu beitragen, das Profil der so handelnden Organisationen innerhalb ihrer Gemeinden zu stärken. Dies wiederum verbessert die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen nationalen demokratischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen.
Der Aufstieg auf der Partizipationsleiter
Leider gibt es viele Organisationen und Programme, die „Beteiligung schaffen“ nur unzureichend umsetzen. Richtlinien für Partizipation sind oft nur oberflächlich verfasst und räumen jungen Menschen wenig oder gar keine Möglichkeiten ein, sich wirklich in Diskussionen und Entscheidungsprozesse einzubringen. Harts „Partizipationsleiter“ (ladder of participation) ist hierbei eine hilfreiche Anleitung, um die das Ausmaß von Partizipation zu bestimmen. Aber was können wir tun, um sicherzustellen, dass die Beteiligung Jugendlicher auch erreicht wird und nicht in symbolischen Gesten verharrt?
Ein wesentlicher Faktor, der sich durch den gesamten Ansatz der Partizipation hindurchzieht und der essentiell dafür ist, dass Jugendliche wirklich gehört werden, ist, sie immer ernst zu nehmen. Dies bedeutet, den Jugendlichen während aller Phasen eines Vorhabens die Möglichkeit einzuräumen, sich aktiv in das Geschehen einzubringen, angefangen bei der Planung, der anschließenden Implementierung bis hin zur Evaluationsphase.
Eine Jugend stellvertretend für alle
Viele Organisationen haben inzwischen eine Form der Jugendvertretung eingerichtet. Dabei gilt allerdings zu beachten, dass Jugendliche Individuen sind: VertreterInnen können niemals alle Jugendlichen mit ihren vielen Untergruppen repräsentieren (hier gibt es eine ausführliche Diskussion über die Mythen und Herausforderungen der Jugendpartizipation).
Es ist daher wichtig, dass Jugendvertretungen alle verschiedenen Untergruppen, welche eine Organisation vertritt oder erreichen will, repräsentieren sollten. Dies kann insbesondere dadurch erreicht werden, dass marginalisierte und weniger sichtbare Jugendliche aktiv zur Teilnahme angeregt werden, anstatt dass vorwiegend mit Freiwilligen, die sich von sich aus melden, gearbeitet wird. Ferner ist von Bedeutung, den Jugendlichen eine Gegenleistung für die von ihnen zur Verfügung gestellte Zeit, evtl. entstandenen Fahrtkosten und sonstige Ausgaben anzubieten (meist genügen schon Mahlzeiten oder Snacks und die Erstattung von Fahrtkosten!).
Jugendliche sind eine heterogene Gruppe, daher sollten Projekte mit unterschiedlichen Kommunikationsarten arbeiten, um damit das größtmögliche Publikum anzusprechen (Social Media, Radio, Fernsehen, Lokalzeitungen und –magazine, Mundpropaganda, etc.). Ein hohes Maß an Flexibilität im Hinblick auf die unterschiedlichen Möglichkeiten für Beteiligung ist ebenfalls notwendig, wozu auch das Berücksichtigen von Vorlieben für unterschiedliche Zeiten und Formate gehören. Diese Rücksicht ermöglicht Jugendlichen sich jeweils auf die Weise zu beteiligen, die zu ihren zeitlichen Ressourcen, kulturellen Hintergründen oder sonstigen Zielen des Engagements passt. Durchgehend sollten den Jugendlichen außerdem Training und Unterstützung angeboten werden, damit sie bestmöglich in der Lage sind, mit anderen jungen Menschen, Organisationen sowie ihren Gemeinden zu interagieren und somit ein wachsendes Moment des Engagements gefördert wird.
Ist eine Supervision durch Erwachsene nötig?
Eine weiterer Schlüsselfaktor ist eine aktive Förderung positiver und produktiver Zusammenarbeit zwischen Jugendlichen und Erwachsenen. Erwachsene müssen sich nicht nur des Zwecks und der Bedeutung von Jugendbeteiligung bewusst sein, sondern auch ihrer eigenen Rolle als Orientierungshilfe und MentorIn. Es ist oft hilfreich (jedoch nicht essentiell und in vielen Fällen aufgrund fehlenden Budgets nicht möglich), eine/n bestimmte/n MitarbeiterIn als Ansprechpartnerin für Jugendliche zu benennen, die Unterstützung und Trainings sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene, etwa Angestellte einer Organisation, anbietet. Wie auch Harts Partizipationsleiter deutlich zeigt, führt die Zusammenarbeit zwischen Jugendlichen und Erwachsenen zu den besten Ergebnissen. Erwachsene müssen sich genauso an Prozesse der Jugendpartizipation anpassen wie Jugendliche dies müssen. Es ist daher wichtig sich darüber bewusst zu sein, dass konstante Schulungen und Weiterentwicklung für Erwachsene wie für Jugendliche gleich wichtig sind.
Negative Wahrnehmung von Jugendlichen, die Altersdifferenz sowie negative oder romantische Vorurteile erschweren Jugendbeteiligung innerhalb vieler Organisationen (siehe dazu diesen Artikel über unterschiedliche Wege zur Umsetzung inklusiver Beteiligung Jugendlicher). Es ist daher absolut zentral, das Image Jugendlicher zu verbessern, sowohl unter ihnen selbst, innerhalb der jeweiligen Gemeinden wie auch in der Gesellschaft insgesamt. Schlüsselaktivitäten hierzu sind etwa öffentliche Feiern und das Würdigen von Erfolgen, konstante Kommunikation mit den beteiligten Gemeinden mittels Medien und sonstige Veranstaltungen. Dabei sollte stets im Vordergrund stehen, welche Stärken die jungen Menschen mitbringen.
Schließlich müssen auch die Räume und Strukturen der Organisationen, innerhalb derer Jugendbeteiligung umgesetzt werden soll, jugendfreundlich sein, was bedeutet, dass die individuellen Fähigkeiten und Stärken junger Menschen gefördert werden müssen. Jugendbeteiligung wird oft durch strukturelle Hindernisse ausgebremst. Damit also sichergestellt wird, dass Jugendliche ihre Meinungen wirklich einbringen können, bedarf es Strukturen, die dies anerkennen, sowie entsprechenden Handlungsanweisungen und Richtlinien auf allen Ebenen einer Organisation. Eine gesteigerte Anerkennung der Fähigkeiten und Talente Jugendlicher sowie Verfahrensweisen, die ihnen erlauben, ihre Perspektiven und Ideen in Organisationen und Programme einzubringen werden ihrerseits zu positiveren Ergebnissen auf individueller, lokaler, nationaler und internationaler Ebene führen. Zunehmend erkennen viele Organisationen die Bedeutung der Jugendpartizipation an, insbesondere jene, die mit marginalisierten oder benachteiligten Gruppen arbeiten. Junge Menschen kennen ihre Bedürfnisse am besten und sind daher auch am besten in der Lage, effektive Lösungen zu finden. Unsere Rolle ist es, ihnen ein Umfeld bereitzustellen, in dem sie aktiv auf Entscheidungen, die sie betreffen, einwirken können.
Pingback: Links zum Wochenende #27 | Claire Grauer