Am 9. Dezember von 50 Jahren wurde das damalige englische Mandatsgebiet Tanganjika zu einem unabhängigen Staat. Dies nehme ich zum Anlass, in den kommenden Tagen ein wenig mehr über das heutige Tansania zu schreiben. Durch mehrere Forschungs- und Arbeitsaufenthalte kenne ich das Land recht gut, es ist somit auch Teil meiner eigenen Geschichte geworden und ich verfolge, zurzeit aus der Ferne, mit großem Interesse die Zeitläufte in dem Land am indischen Ozean.
Geschichte Tansanias im Schnelldurchlauf
Auf dem Gebiet des heutigen Staates Tansania liegt eine der sogenannten „Wiegen der Menschheit“: In der Olduvai-Schlucht, im Norden gelegen, wurden in den 1930er Jahren Fossilien von frühen Vorfahren des Menschen gefunden. Seit dem 1. Jahrtausend n. Chr. wanderten verschiedene Völker in das Gebiet ein, zunächst Bantu-Völker, deren Vorfahren vermutlich aus dem heutigen Kamerun stammen. Im 2. Jtsd. n. Chr. begann dann die Zuwanderung nilotischer Hirten.
Die Jahrhunderte der Migration und Vermischung prägen Tansanias ethnische Zusammensetzung bis heute. Die heutige Bevölkerung von etwa 41 Millionen Menschen setzt sich aus rund 120 ethnischen Gruppen und ebensovielen Sprachen zusammen. Dank der Verkehrssprache Swahili, die neben Englisch Amtssprache ist und die fast alle TansanierInnen sprechen, ist die Verständigung der Menschen untereinander jedoch gut möglich.
Swahili-Kultur und Sklavenhandel
Weit mehr als über die Geschichte der Menschen im Inland des heutigen Tansania ist über die Historie der Küste bekannt. Die Swahili-Kultur, basierend auf einer Bantu-Ethnie, aber mit starken arabischen und auch persischen Einflüssen, prägt die tansanische Küste bis hoch nach Kenia über Mombasa bis zur kenianischen Insel Lamu sowie vor allem das Sansibar-Archipel (bestehend aus den Inseln Unguja (oft verkürzt als „Sansibar“ bezeichnet) und Pemba).
Bereits im 1. Jhd. n.Chr. existierten arabische Handelsposten an der Küste und im Lauf der Jahrhunderte siedelten sich arabische, persische und omanische Händler an der Küste sowie auf den Sansibar-Inseln an. Durch Vermischung mit der lokalen Bevölkerung entstand die Swahili-Kultur, deren materieller Reichtum auf dem Handel mit dem nahen Osten und Indien gründete.
Im 19. Jhd. wurde der Sklavenhandel zum einträglichsten Geschäft der Händler; eine der Hauptrouten der Sklavenhändler verlief von Bagamoyo an der Küste des indischen Ozeans über das heutige Tabora bis nach Ujiji am Tanganyikasee. Die Sklaven wurden bis nach Indien, Persien und in arabische Länder verkauft oder mussten auf den Plantagen in den französischen Kolonien La Réunion und Mauritius schuften sowie auf den Gewürznelkenplantagen der Inseln Sansibars.
1873 wurde der Sklavenhandel im indischen Ozean verboten, es dauerte jedoch noch mehrere Jahre, bis er tatsächlich zum Erliegen kam.
Schutzgebiet Deutsch-Ostafrika
1884 hatte der Deutsche Carl Peters 1884 begonnen, Verträge mit traditionellen Autoritäten abzuschließen, die darauf abzielten, ein Kolonialreich aufzubauen. Im Anschluss begann das Deutsche Reich, mit der britischen Krone Verträge über die jeweiligen Einflussbereiche in Ostafrika zu schließen und übernahm dann 1891 offiziell die Herrschaft des „Schutzgebietes Deutsch-Ostafrika“, das neben dem Festlandteil des heutigen Tansania die Gebiete Ruandas und Burundis umfasste.
Dies löste Widerstand unter der Bevölkerung auf. Am bekanntesten sind der Widerstand der Hehe unter Chief Mkwawa von 1891-1894 (in der Gegend um das heutige Iringa) sowie der Maji-Maji-Aufstand, der von 1905-07 im Süden des Landes tobte und als Höhepunkt des antikolonialen Wiederstandes in Tansania gilt.
Britische Verwaltung und Unabhängigkeitsbestrebungen
Während des 1. Weltkrieges kämpfte die Schutztruppe unter General von Lettow-Vorbek in Ostafrika, nach Kriegsende wurde das Gebiet des „Tanganyika Territory“ unter einem Völkerbundmandat Großbritannien unterstellt, was bedeutet, dass alle Rechte des Gebietes beim Völkerbund lagen und Großbritannien als Verwaltungsmacht eingesetzt war. Die Gebiete der heutigen Länder Ruanda und Burundi wurden unter belgische Verwaltung gestellt. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Gebiete zu UNO-Mandatsgebieten, als die UN die Rechtsnachfolge des Völkerbundes antrat.
Die zentrale Figur der Unabhängigkeitsbewegung und des frühen Nationalstaates ist Mwalimu Nyerere. Der ausgebildete Lehrer (Swahili: mwalimu) Julius Nyerere hatte 1954 die Partei TANU (Tanganyika African National Union). Motto der Partei und bis heute Wahlspruch Tansanias ist Uhuru na Umoja – Freiheit und Einheit.
Nach Zugeständnissen im Hinblick auf eine beschränkte Selbstverwaltung durch die britische Verwaltung kann die TANU 1960 erfolgreich bei Wahlen antreten und schon 1961 wird Tanganyika unabhängig. Nyerere wird zum ersten Präsidenten gewählt und hatte dieses Amt bis zu seinem Rücktritt 1985 inne.
Auf dem Weg nach Tansania: Die Unabhängigkeit Sansibars
Die Verträge zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien aus den 1880er Jahren hatten das Sultanat Sansibar zum britischen Protektorat erklärt. 1963 wurde Sansibar unabhängig, mit der Staatsform der konstitutionellen Monarchie unter der Herrschaft des Sultans Jamshid ibn Abdullah. Nur einen Monat später brach die blutige Sansibarrevolution aus, in der tausende Araber und Inder umgebracht wurden. Es folgte die Ausrufung der Republik Sansibar und Pemba, die sich 1964 mit Tanganyika zur Vereinigten Republik Tansania zusammenschloss. Bis heute hat Sansibar innerhalb der Union große Autonomierechte inne.
Zum Weiterlesen:
– Länderinformationsportal der AIZ zu Tansania (deutsch)
– Geschichte Tansanias auf der offiziellen Website der tansanischen Regierung (englisch)
– Ethnologue – Languages of Tanzania
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