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In den vergangenen Jahren setzt sich auf internationaler Ebene immer stärker das Bewusstsein durch, dass Kinder und Jugendliche gleichberechtigte Akteure der gesellschaftlichen Entwicklung sind und daher in Projekten und Programmen der Entwicklungszusammenarbeit besondere Berücksichtigung benötigen. Das betrifft nicht nur Maßnahmen gegen Kinderarbeit, Kinderhandel oder Verbesserung der Bildungschancen, sondern setzt zunächst einmal das Eintreten für eine umfassende gesellschaftliche Anerkennung von Kinderrechten voraus.
Noch immer sind die fehlende Kenntnis der Existenz von Kinderrechten und damit einhergehend die mangelhafte Umsetzung in Alltag und Gesetzgebung, ein weltweites Problem. Auch in Deutschland sind sie in Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung nahezu unbekannt. Diese Rechte können daher von denen, die sie betreffen, von Kindern und Jugendlichen, kaum eingefordert werden.
Was sind Kinderrechte?
Grundlage der Kinderrechte ist die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) von 1991, die von allen UN-Mitgliedsstaaten unterzeichnet und bis auf USA und Somalia von allen ratifiziert worden ist. (Text der UN-KRK auf Deutsch und auf Englisch).
Die UN-KRK ist Ausdruck der Auffassung, wonach Kinder eigenständige Subjekte sind, die unveräußerliche Grundrechte besitzen und hat das Ziel „weltweit die Würde, das Überleben und die Entwicklung von Kindern (bis 18 Jahren) und damit von mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung sicherzustellen“ (Maywald 2010: 9).
Die Konvention legt in 54 Artikeln die ökonomischen, sozialen, kulturellen, zivilen und politischen Rechte von Kindern fest; die Artikel 2, 3, 6 und 12 sind gleichzeitig die vier Allgemeinen Prinzipien der UN-KRK:
- Diskriminierungsverbot (non-discrimination)
- Vorrang des Kindeswohls (best interests of the child)
- Das grundlegende Recht jedes Kindes auf Leben, Überleben und Entwicklung (the right to life, survival and development)
- Das Recht, in allen Angelegenheiten, die ein Kind betreffen, unmittelbar oder durch eine/n Vertreter/in gehört zu werden (considering the views of children in decisions that affect them)
Geschichte der Kinderrechte
In Europa galten Kinder über Jahrhunderte hinweg als Besitz ihrer Eltern (die römische Rechtsordnung gestand Vätern die Entscheidung zu, ein Kind als das eigene anzunehmen oder aber es dem Tod auszusetzen) (siehe Maywald 2010: 9f). Dies begann sich erst mit der Aufklärung allmählich zu ändern. Im 19. Jahrhundert setzte sich allmählich die Ansicht durch, dass Kinder besondere Förderung benötigen und vor körperlicher Gewalt geschützt werden müssen, was zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Forderungen nach umfassenden Rechten für Kinder überging.
Warum Kinderrechte
Trotz dieser Entwicklungen ist die Auffassung wonach Kinder Erwachsenen unterlegen seien und daher keine rechtliche Gleichstellung benötigten, immer noch weit verbreitet – in westlichen wie in Entwicklungsländern. Es herrscht wenig Sensibilität gegenüber Kinderrechten; oft werden diese mit dem Hinweis in Frage gestellt, es gäbe ja bereits eine Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die auch für Kinder gelte.
Die Kinderrechte leiten sich jedoch aus der Tatsache ab, dass Kinder keine Verantwortung gegenüber Erwachsenen tragen, dies umgekehrt aber der Fall ist. Kinder sind keine „kleinen Erwachsenen“, sondern sich entwickelnde Menschen, die zunächst abhängig von Erwachsenen sind, aber einen Prozess durchlaufen, der sie selbst zu Erwachsenen macht. Daher benötigen Kinder und ihre Rechte besonderen Schutz.
Kinderrechte werden auch in Deutschland tagtäglich verletzt, etwa durch Armut, die viele Kindern von einer umfassenden Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben ausschließt oder die Tatsache, dass Bildungschancen in viel zu hohem Maße vom sozialen Hintergrund abhängen.
Recht haben heißt nicht, Recht bekommen
Die National Coalition für die Umsetzung der U-Kinderrechtskonvention in Deutschland beklagt, dass die Kinderrechte in Deutschland vielen Menschen nicht bekannt sind. Auch werden sie in Politik und Verwaltung kaum „ernst genommen“, schreibt Hendrik Cremer in einer Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte (Cremer 2011).
Kinderrechte sind bislang auch nicht ins Grundgesetz aufgenommen worden, obwohl es dazu gute Gründe gibt, vorneweg den, dass Kinder im Grundgesetz nicht als Träger eigener Rechte erwähnt sind (Cremer 2011: 3). Auch sind die Rechte auf Teilhabe und der Vorrang des Kindeswohls nach Ansicht der National Coalition nicht berücksichtigt.
2011 hat die UN-Vollversammlung einen wichtigen Schritt in Richtung Stärkung der Kinderrechte unternommen: Sie verabschiedete das 3. Zusatzprotokoll zur UN-KRK, das derzeit von den Unterzeichnern unterschrieben wird. Darin ist festgelegt, dass es Kindern oder ihren VertreterInnen möglich ist, Individualbeschwerde gegen die Verletzung von Rechten einzulegen. Informationen für Kinder, wie sie ihre Rechte einfordern können gibt es hier.
Im ersten deutschen Kinder- und Jugendreport von 2010, der dem UN-Kinderrechtsausschuss vorgelegt wurde, kamen Kinder und Jugendliche selbst zu Wort. Darin beschreiben sie, was ihnen gefällt, aber auch, wo sie ihre Rechte verletzt sehen, etwa bei der fehlenden Einbindung in öffentliche Entscheidungsprozesse.
Jetzt erst Recht(e) für Flüchtlingskinder
Erheblicher Verbesserungsbedarf besteht in Deutschland auch in Bezug auf die Rechte von Flüchtlingskindern. Kinder, die alleine oder mit ihren Familien auf Entscheidungen in laufenden Asylverfahren warten, oder deren Aufenthalt lediglich „geduldet“ wird, können viele ihrer Rechte nicht wahrnehmen. So sind zum Beispiel ihre Lebensbedingungen oft nicht kindgerecht (Unterkunft in Gemeinschaftswohnheimen, Abschiebehaft) und ihr Zugang zu Bildung und Ausbildung inklusiver besonderer Fördermöglichkeiten wie Sprachunterricht, ist nicht immer gesichert.
Die Kenntnis der Kinderrechte, die Schaffung eines Bewußtseins dafür sowie das Eintreten für die Umsetzung der UN-KRK ist daher wichtig keineswegs etwas, um das sich „nur“ Hilfsorganisationen in Afrika kümmern müss(t)en.
Quellen
Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) 2010. Erster Kinder- und Jugendreport. Zur UN-Berichterstattung über die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland. Berlin: AGJ. PDF
Cremer, Hendrik 2011. Stellungnahme: Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz als Maßnahme zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention? Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte. PDF
Maywald, Jörg 2010. UN-Kinderrechtskonvention: Bilanz und Ausblick. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 38/2010. LINK
National Coaltion für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland (NC) 2010. Argumente zur Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. Berlin: National Koalition. PDF
Weblinks
- National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland
- Deutsches Institut für Menschenrechte
- Aktionsbündnis Kinderrechte: Kinderrechte ins Grundgesetz (Unterschriftensammlung und weitere Informationen)
- Kampagnenseite „Jetzt erst Recht(e) für Flüchtlingskinder“
- UNICEF Deutschland Themenseite Kinderrechte
- UN-Kinderrechtskonvention im Wortlaut
- – Deutsch
- – Englisch
Weblinks für Kinder
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