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Konfliktmineralien, Blut am Handy und die Suche nach einer Lösung

Gestern nacht lief auf arte die Dokumentation Blood in the Mobile des dänischen Filmemachers Frank Poulsen. Sieben Tage lang kann man unter dem Link den Film mit deutscher Tonrspur noch abrufen (der hier eingebettete Trailer ist auf Englisch). Hier gehts zur Website zum Film.

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=wQhlLuBwOtE&w=560&h=315]

Konfliktmineralien und Bluttelefone

Poulsen beschäftigt sich in seinem Film mit der Frage, woher eigentlich die Bestandteile seiner Nokia-Handys und unser aller Handys kommen. Insbesondere interessiert er sich für die Frage nach dem Zusammenhang zwischen den bewaffneten Konflikten im Osten der Demokratischen Republik Kongo und den dort abgebauten sogenannten Konfliktmineralien wie Kasserit oder Coltan. Diese werden in allen mobilen Geräten verbaut und kommen oft aus Minen im Ost-Kongo, somit finanzieren also alle Verbraucherinnen den dortigen Bürgerkrieg mit.

Ganz allgemein drückt der Film das Unbehagen aus, dass wir Verbraucherinnen zunehmend in vielen Belangen haben. Woher kommen eigentlich die Rohstoffe der Produkte, die wir täglich kaufen? Unter welchen Bedingungen werden sie hergestellt? Und wer schöpft eigentlich die Profite ab?

Spurensuche im Kongo und in Finnland

Auf seiner Spurensuche zeigt der Filmemacher, unter welch gefährlichen Bedingungen Menschen, darunter viele Kinder, im Ost-Kongo Mineralien abbauen, ohne Sicherheitsstandards und mit minimalem Gewinn. Diesen machen die verschiedenen Milizen und das Militär, welche die Minen kontrollieren und hohe Steuern erheben.

Anschließend versucht Poulsen, mit Verantwortlichen von Nokia in Finnland zu sprechen, wird jedoch mehrfach abgewiesen und vertröstet, bis er schließlich mit zwei Mitarbeiterinnen sprechen kann, die betonen, dass Nokia an einer Lösung arbeite, die jedoch ihre Zeit brauche. Und außerdem seien nicht nur die Industrie sondern auch die VerbraucherInnen und die Politik am Zuge.

Ursachen und Lösungen…?

Der Film beschäftigt sich weniger mit der Komplexität der Konflikte im Kongo und erweckt so das Bild, dass die Konfliktmineralien Ursache und Auslöser der komplexen Konfliktlage dort sind – was so nicht stimmt. Unbestritten sind die Mineralien wichtige Einnahmequellen für die verschiedenen Milizen, allerdings sind auch die Nachbarländer Uganda und Ruanda wichtige Akteure, was gar nicht erwähnt wird, jedoch seit den 1990er Jahren den Konflikt wesentlich mit befeuert hat.

Auch sind die Konfliktmineralien nicht die Ursache, sondern willkommene Finanzquelle für eine seit den 1990ern andauernde komplexe Konfliktlage (mehr dazu siehe unten).

Eine ganz simple Erklärung der Lage vor Ort gibt einer der interviewten Soldaten: in Friedenszeiten kosten Soldaten/Milizionäre Geld, sie müssen ernährt und gekleidet werden. Im Krieg töten sie ihre Feinde und nehmen sich, was sie brauchen. In der Region zirkulieren unglaublich viele Waffen und es gibt so gut wie keine staatliche Infrastruktur, das ist der Kontext in dem sich diverse bewaffnete Gruppen bekriegen; befeuert von den Nachbarländern.

Was aber ist nun eine mögliche Lösung bezüglich der Konfliktmineralien in unseren Handys?

Poulsen schlägt vor, dass alle Hersteller von Mobilgeräten ihre Zuliefererketten genauestens transparent machen und auf ihren Websites offenlegen. Als Konsumentin kann ich dann sehen, woher die Einzelteile eines Gerätes kommen und mich für oder gegen einen Kauf entscheiden.

Embargo gegen Konfliktmineralien aus dem Kongo – ist das die Lösung?

Das klingt vernünftig, aber ist es eine brauchbare Lösung? Die USA haben 2010 ein Gesetz erlassen (Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Act), dessen Sektion 1504 von Unternehmen verlangt, gegenüber einer Kommission und auf Ihren Websites offenzulegen, ob und woher sie Konfliktmineralien beziehen. Dies hat inzwischen zu einem de facto-Boykott von Konfliktmineralien aus der DRC geführt, wie Laura Seay, US-Politikwissenschaftlerin, die zum Thema forscht, darlegt (hier ein einführender Blogpost und ein ausführliches Working Paper der Autorin).

Seay beschreibt, dass dieser Boykott jedoch keineswegs zu einer Entspannung der Lage im Kongo beigetragen hat, vielmehr haben bis zu zwei Millionen MinenarbeiterInnen ihre Existenzgrundlage verloren. Der Autorin ist dabei durchaus bewusst, dass die Arbeitsbedingungen in den Minen erbärmlich waren, allerdings gibt es in den Minengebieten außer dem Bergbau keinerlei sonstige Einkommensmöglichkeiten für die Menschen.

Dies hat negative Auswirkungen auf Millionen von Familien, denen nun das Geld für Schulbesuch der Kinder oder Gesundheitskosten fehlt. Auch leidet die gesamte lokale Wirtschaft durch die fehlende Kaufkraft der Menschen.

Wie im Film so ist auch das erwähnte US-Gesetz von einem falschen Verständnis der Konfliktlage im Ost-Kongo beeinflusst. Die Konfliktmineralien sind nicht Ursache, sondern vielmehr Begleiterscheinung der sehr komplexen Konfliktlage. Seit dem Sturz des Diktators Mobutu 1997 bekämpfen sich im Osten des Kongo verschiedene Milizen. Wie Seay beschreibt, kämpfen manche davon schlicht um des Kämpfens willen, andere wiederum verfolgen ethnopolitische Ziele. Die Armee bekämpft Zivilisten, um ausbleibende Soldzahlungen „auszugleichen“, die Kämpfer der FDLR sind nach dem Genozid aus Ruanda geflohen – und in diese Gemengelage spielt nun die Existenz von Mineralien, mit denen Geld verdient werden kann, mit hinein.

Allerdings, so Seay, hat der de facto-Boykott der Mineralien bisher nicht zu einer Befriedung der Region geführt, eben weil die Mineralien nicht die Ursache der gewalttätigen Auseinandersetzungen sind. Daher bedarf die Konfliktlage auch einer politischen und keiner rein ökonomischen Lösung.

Ganz wichtig wäre es z.B., die Sicherheitslage in der Region dauerhaft zu stabilisieren, damit der Abbau von Mineralien unter der Regie von privatwirtschaftlichen Unternehmen und nicht mehr durch wechselnde Milizen und Warlords kontrolliert werden könnte. Dafür wiederum sind v.a. die Regierungen der DRC sowie der Nachbarländer verantworlich, die ihrerseits bisher gut an den Konfliktmineralien verdient haben.

Es ist und bleibt kompliziert…

… lautet mein Fazit; hier haben wir wieder die „Gefahr der einzelnen Geschichte„.  Poulsens Film ist ein guter Ausgangspunkt, und auch interessant weil er entlarvt, wie hilflos ein großes Unternehmen wie Nokia auf die kritischen Nachfragen eines Konsumenten reagiert. Immer noch.

Andererseits zeigt er auch, dass es schwierig ist, einfache Lösungen für komplexe Probleme vorzuschlagen. Viele Menschen möchten keine Kriege mitfinanzieren, ausbeuterische Produktionsbedingungen unterstützen oder Umweltzerstörung mitverursachen. Wir tun es aber dennoch; nicht immer haben wir die Wahl, nicht immer die Zeit, uns zu informieren, aber manchmal fehlt schlicht und einfach die Transparenz.

Filme wie „Blood on the Mobile“ sind aber dennoch wichtig, um wachzurütteln, Fragen zu stellen und uns Konsumierenden immer einmal wieder den Spiegel vorzuhalten; ich bin nämlich der Meinung, dass „der Konsument“ durchaus eine Menge Macht hat, vielen ist es aber entweder nicht bewußt oder schlicht egal.

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