Am 25. Juni dieses Jahres fand in Genf eine Veranstaltung mit dem Titel Multiple Global Crises and Gender: Rethinking Alternative Paths for Development. (Multiple Globale Krisen und Gender: Nachdenken über alternative Wege in der Entwicklungszusammenarbeit) statt.
Eingeladen hatte das UN Forschungsinstitut für Soziale Entwicklung UNRISD. Es sprachen
- Devaki Jain, Gründerin und frühere Direktorin des Institute of Social Studies in Delhi, Indien, zu „Time for a Game Shift“ (Zeit für neue Regeln im Spiel)
- Naoko Otobe, Senior Employment Specialist (and currently Gender and Employment Coordinator) der ILO, über „Gender Dimensions of the world of work in a globalized economy“ (Genderdimensionen in der Arbeitswelt einer globalisierten Wirtschaft)
- und Mariama Williams, Senior Fellow with the South Centre, stellte „Interventions on the financial crisis, the global economy and climate change funding“ (Interventionen im Zuge der Finanzkrise, der globalen Wirtschaft und der Finanzierung von Maßnahmen gegen den Klimawandel) vor.
Ein kurzer Ausschnitt der Veranstaltung mit allen drei Sprecherinnen ist hier zu sehen; auf der UNRISD-Website gibt es die komplette Veranstaltung als Podcast und die Präsentationen von Devaki Jain und Naoko Otobe zum download. (Diejenige von Naoko Otobe bietet einen sehr guten Überblick zum Thema Frauen und wirtschaftliche Entwicklung“.)
Feministisches Wissen in der Krise
Die Diskutantinnen sprachen über Thesen aus dem kürzlich veröffentlichten Buch Harvesting Feminist Knowledge for Public Policy (Was feministisches Wissen zur Reform der öffentlichen Ordnung beitragen kann), herausgegeben von Devaki Jain und Diane Elson.
Im Buch und auf der Veranstaltung wird/wurde über die Zusammenhänge zwischen Ökonomie, Armut und globalen Herausforderungen wie den Klimawandel diskutiert und über die Erfahrungen, die Frauen in diesen Kontexten machen. Frauen sind weltweit stärker von Armut betroffen und angesichts der erwähnten Krisen bedroht. Sie leisten den maßgeblichen Anteil der unbezahlten Reproduktionsarbeit (inklusive landwirtschaftlicher Arbeiten), arbeiten zu geringeren Löhnen und mit mehr Unsicherheit, doch die gängigen ökonomischen Theorien und Modelle blenden das aus.
Jain merkte z.B. an (siehe verlinktes Video (Kurzfassung; die Langfassung habe ich mir noch nicht angehört)), dass als Gegenpol der gängigen Wirtschaftstheorien eine feministische Wirtschaftstheorie benötigt wird, da etwa auch während der gegenwärtigen Banken- und Wirtschaftskrise ausschließlich auf von Männern entworfene Theorien Bezug genommen wird, wie Keynes oder Marx.
Feministische Ansätze und Theorien gibt es zwar, darin stimmen Jain und Williams überein, sie sind jedoch fragmentiert wenig bekannt, was auch daran liegt, dass sich Feminist_Innen selbst „ghettoisieren“. Es liegt allerdings auch daran, dass der wissenschaftliche Mainstream immer noch männlich dominiert ist und auch die Umsetzung vieler (Entwicklungs)Maßnahmen innerhalb und mithilfe vorwiegend männlich geprägter Strukturen und Institutionen stattfindet.
„Gender“ ist nicht gleich „Frauen“- auch in der EZ
Ich habe mich, bis auf das an der Uni Gelernte, bisher wenig mit wirtschaftstheoretischen Entwicklungsansätzen beschäftigt. Grundsätzlich stimme ich aber der Ansicht zu, dass in den Debatten über Wirtschaft und Entwicklung männliche Stimmen dominieren und eine allgemeine Sensibilität für eine genderbezogene Analyse fehlt. Angefangen dabei, dass „Gender“ und „Frauen“ zwei ganz verschiedene Dinge sind und „Gender“ immer auch bedeutet, die Rolle von „Männern“ mitzudenken, bzw. zu analysieren.
Gerne wird ja „Gender“ als „Frauenkram“ abgetan oder als „Frauenförderung“ missverstanden. Dabei geht es da ja um das Verhältnis der verschiedenen Genderrollen zueinander, und beinhaltet auch weitere Faktoren, wie etwa Klasse, ethnische Herkunft, etc. Je nach Kontext hat eine sehr arme Frau evtl. mehr mit einem sehr armen Mann gemeinsam als mit einer sehr reichen Frau – und von Genderrollen abseits der Frau-Mann-Teilung rede ich hier noch gar nicht.
Die Präsentation Otobe, auf der verlinkten UNRISD-Seite einzusehen, bietet einen guten Überblick über das Thema „Frauen und wirtschaftliche Entwicklung“. Einige deutsch- und englischsprachige Dokumente und Links zu „Frauen und Gender in der EZ“ gibt es beim BMZ.
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