Im Rahmen eines Seminars am vergangenen Wochenende habe ich die Videoaufzeichnung des Vortrages der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie zu „The danger of a single story“ gesehen, den diese bei der TED Global-Konferenz 2009 gehalten hat. Großartig, sowohl Art als auch Inhalt des Vortrages.
Im Kern geht es Adichie darum, Bewußtsein dafür zu schaffen, dass eine einzelne Geschichte, ein einziges Detail, der Kern für Vorurteile und Stereotype ist. Kennt man nur kleine Ausschnitte einer komplexen Geschichte, bleibt einem vieles verborgen, was die eigene Sicht auf die Dinge einschränkt.
Sie benutzt dazu einige anschauliche Beispiele:
- Als Kind in Nigeria las sie ausschließlich englische Kinderbücher und konnte sich daher lange Zeit nicht vorstellen, dass literarische Charaktere auch braune statt weißer Haut haben könnten. Erst als Jugendliche entdeckte sie in Büchern des nigerianischen Autors Chinua Achebe Menschen, die ihr ähnelten: ‘I realized that people who looked like me could live in books.
- In ihrer Familie lebte ein Junge, der aus einer armen Familie stammte, als Haushaltshilfe. Adichie erzählt, wie ihre Mutter sie jedes Mal, wenn sie nicht aufessen wollte, ermahnte, dass die Familie des Jungen arm sei und kein Essen habe und Aufessen daher ein Zeichen des Respekts wäre. Adichie berichtet, wie erstaunt sie war, als sie eines Tages mit ihrer Familie die Familie des Jungen besuchte und ihnen die Mutter des Jungen einen gewebten Korb zeigte. Nach ihrer Vorstellung waren „arme“ Menschen, schlicht nicht in der Lage irgendetwas zu herzustellen.
- Einer ihrer Professor in den USA kritisierte, dass ihre literarischen Charaktere „ihm zu ähnlich“ seien, Mittelklasseangehörige, die Autos fahren und nicht Hunger leiden. Also nicht „authentisch afrikanisch“ seien.
Es gibt noch eine Reihe weiterer Beispiele und Adichie gibt zu, dass sie auch im Erwachsenenalter nicht sicher vor der Falle der „single story“ ist; sie beschreibt, wie erstaunt sie während einer Mexikoreise über die Normalität des Lebens der Menschen vor Ort war und dadurch feststellte, wie sehr ihr Bild von der negativen US-Medienberichterstattung geprägt war, die Mexiko vorwiegend mit Kriminalität und illegalen Migranten in Verbindung bringt.
Niemand ist gefeit von der „single story“; schließlich ist es auch gar nicht möglich, alle Details aller möglichen Begebenheiten aufzunehmen und zu verarbeiten. Selektion und Auswahl sind daher notwendige Mittel zur Verarbeitung von Informationen.
Gleichzeitig ist es aber immer aufs Neue wichtig, genau das zu hinterfragen. Glaube ich, was ich höre oder bin ich kritisch, weil ich möglicherweise nicht alle Seiten einer Geschichte beleuchtet habe?
Gerade unser Bild vom „Anderen“, vom „Fremden“ ist oft von solchen „single stories“ geprägt, bestes Beispiel im Kontext dieses Blogs ist das westliche Afrikabild. Ähnlich wie das Afrikabild von Adiches amerikanischer Mitbewohnerin an einer US-Universität ist auch das Afrikabild vieler Deutscher geprägt von der Medienberichterstattung, die sich auf Kriege, Katastrophen und Korruption konzentriert.
Aber auch hier gibt es tausende von Geschichten, die das Gesamtbild prägen und ich habe weiterhin vor, darüber zu schreiben.
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