Heute morgen habe ich eine sehr inspirierende Lesung mit John Irving besucht (grade läuft das Hamburger Harbour Front Literaturfestival).
Die Lesung fand in der Laeiszhalle statt, war gut besucht (über 1500 Leute) und gleich zu Beginn kam die Ansage, dass Herr Irving gleich im Anschluss weiter nach Berlin muss, und daher keine Bücher signieren kann (schade, ich hatte mich auf mein erstes vom Autor mit persönlicher Widmung versehenes Buch gefreut). Es gebe aber einen Stand mit vom Autor am Vortag signierten Büchern.
Dann betraten die Moderatoren, Andreas und Benjamin Lebert, die Bühne (bekannt als Brigitte-Chefredakteur (Andreas) und Autor (Benjamin, „Crazy“). Außerdem nahm noch Stephan Benson, Schauspieler, Platz, der die Lesung mitgestalten würde.
Nach ihrer kurzen Einführung zu Irving betrat dann der Autor die Bühne.
Ganz amerikanisch leger im schwarzen T-Shirt (zwei der drei anderen Herren auf der Bühne trugen Sakkos) nahm er zunächst Platz um mit den Moderatoren ein wenig zu plaudern.
Ich bin großer Fan von John Irvings Büchern, seit mehr als 15 Jahren, schätze ich. Ich weiß nicht mehr, wie ich zum ersten Buch gekommen bin, vermute aber, dass ich „The world according to Garp“ lesen wollte, nachdem ich den Film gesehen hatte.
John Irving ist auch der einzige Schriftsteller, von dem ich wirklich alle Bücher gelesen habe, manche auch mehrmals. Die Lesung war daher für mich so interessant, weil Irving sehr viel darüber erzählte, wie er schreibt (den ersten Entwurf immer per Hand, da er mit Schreibmaschine oder PC zu schnell schreiben würde und zu wenig auf die Sprache achten könnte). Er erzählte auch, wie er seine Geschichten entwift (oft sind sie schon sehr lange in seinem Kopf, nur Details fehlen noch – somit kann er sich dann beim Schreiben ganz auf das Schreiben konzentrieren, ohne nach der Geschichte suchen zu müssen).
Und er legte dar, was sein zentrales Thema ist, nämlich, über das zu schreiben, wovor er Angst hat, wozu der Verlust von geliebten Menschen gehört (im aktuellen Buch stirbt ein Kind). „I am not pretty much interested in my own life“, sagte er dazu; sein eigenes Leben ist nicht das, worüber er schreibt, sondern über Dinge, die ihm Angst machen, die er sich fern halten möchte.
John Irving ist ein guter Redner, der mit subtilem Humor und klarer Sprache unterhaltend erzählen kann, und man merkt, dass er Auftritte wie diesen gewohnt ist. Er überging souverän die unbeholfenen Moderatoren (die sich sichtlich unwohl beim formulieren englischer Fragen fühlten und zum Teil auch ziemlich langweilige Fragen stellten („Warum machen Sie es Vater und Sohn im Buch so schwer?“ „Was sollte ich kochen, wenn eine tolle Frau mich zum ersten Mal besucht“ (eine Hauptfigur im neuen Buch ist Koch))?
Schlagfertige Antwort auf die letzte Frage: „Vielleicht gehen Sie doch besser ins Restaurant“. Andere Fragen ignorierte er sehr freundlich (manchmal mit zu Beginn gequältem Lächeln), doch er ist ein wirklich dankbarer Interview-Gast, da er die Fragen dann oft abbog und sehr präzise über ein ähnliches Thema sprach und dabei dann meist Interessantes über den Prozess des Schreibens und auch den Recherche-Arbeiten, die er bei verschiedenen Büchern unternahm, erzählte.
Zwischen den Fragen gab es zwei Leseblöcke, Irving begann mit einer englischen Passage aus dem Buch und Stephan Beson las die sich jeweils anschließende Passage in deutscher Übersetzung. Bisher kannte ich das so, dass die Passage, die Autor oder Autorin auf der Fremdsprache gelesen hatten, in der deutschen Übersetzung gelesen wurden, aber da man wohl davon ausging, dass die Mehrheit des Publikums ausreichend Englisch verstehen würde, hatte man dies wohl so gewählt – fand ich auch gut.
Ich bin immer noch ganz erfreut über dieses schöne Erlebnis und überlege, „The cider house rules“ heute nochmal zu lesen.
Hier noch einige Fotos (die übrigens mein Begleiter, nicht ich, aufgenommen hat).
Die Moderatoren
Irving erzählt
Stephan Benson