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arte-Doku „Im Dickicht der Spendenindustrie“

Vorweihnachtszeit ist Spendenzeit – die meisten von uns dürften dieser Tage Bettel- und Spendenbriefe erhalten haben, überall sehen wir Plakate, gerne mit Not leidenden Kindern oder bedrohten Tieren und in so mancher Fußgängerzone stehen Stände mehr oder weniger bekannter Organisationen, an denen meist junge Menschen Passanten um einige Minuten ihrer Zeit bitten.

Gestern abend zeigte arte die Dokumentation „Im Dickicht der Spendenindustrie“, in der es v.a. darum geht, wie Organisationen Spenden einwerben und mit welchen Kosten dies verbunden ist. Noch sieben Tage kann sie online bei arte.tv abgerufen werden.

Der Mythos der geringen Verwaltungskosten 

Interessant ist v.a. der zweite Teil, in dem genauer dargestellt wird, welche Kosten entstehen und was hinter dem von gemeinnützigen Vereinen und Organisationen gerne verbreiteten Mythos steckt, es würden stets nur sehr geringe Summen in die Verwaltung gesteckt.

Verwaltungskosten sind ein schwieriges Thema. Viele SpenderInnen sind der Ansicht, je weniger Verwaltungskosten anfallen, desto seriöser ist die Organisation, doch das täuscht. Es ist immer unseriös, wenn behauptet wird „bei uns werden 100% weitergeleitet“, denn es fallen immer Kosten an, und sei es für Druckerpapier und zwei Briefmarken.

Auch hohe Verwaltungskosten können – je nach Kontext – durchaus ihre Berechtigung haben. Größere Projekte oder Programme benötigen die Arbeitskraft von Fachleuten. Zudem spielt der geographische und politische Kontext eine Rolle: Es ist günstiger, an leicht zugänglichen, politisch stabilen Orten zu arbeiten als in schwer zugänglichen Katastrophen- oder Konfliktgebieten.

Ehrenamtliche vs. „Professionelle“: Ein schwieriger Vergleich

Es ist schwierig, so wie es die Doku tut, einen kleinen Verein, der nur eine Gemeinde in Peru unterstützt und mit einer 400-Euro Kraft auskommt mit einer großen Organisation, die in vielen Ländern arbeitet und viele Angestellte hat, in einen Topf zu werfen. Ersterer unterstützt kleine Projekte in einem geographisch überschaubaren Gebiet während große Organisationen meist in vielen Ländern arbeiten und oft thematisch vielfältige eigene Programme umsetzen, für die Fachleute benötigt werden. Fachleute aber kosten, zu Recht, Geld und auch der Umgang mit hohen Volumina an Spenden und öffentlichen Zuwendungen ist ab einer gewissen Größenordnung nicht mehr ehrenamtlich zu leisten.

Alle Organisationen unter einen Generalverdacht zu stellen, vor allem die größeren, so wie es die Doku tut, damit ist leider niemanden geholfen. Mit Sicherheit gibt es eine ganze Menge unseriöser Organisationen, doch ebenso gibt es auch seriöse. Vielleicht nimmt sich im kommenden Jahr eine Dokumentation dieses Themas an, das wäre einmal ein schöner Kontrast.

Auch ein Zeichen von Seriosität: Wie werden „Bedürftige“ dargestellt 

Hat sich die Doku sehr auf Zahlen konzentriert, würde ich gerne hier noch etwas hinzufügen. Ein wichtiger Punkt beim Thema „Spendenwerbung“ ist nämlich, wie Organisationen über ihre Arbeit schreiben. Dies wird mit Sicherheit immer kritischer betrachtet werden.

Sehr interessant fand ich nämlich die Szene, in der die Autoren zwei amerikanischen Oglala-Sioux den an deutsche SpenderInnen adressierten Bettelbrief einer (unseriösen) Organisation der „Indianerhilfe“ vorgelegt wird. Der Brief beschreibt in herzzerreißender Art das miserable Leben der „Indianerkinder“ in ihrem Reservat in South Dakota. Diese Darstellung wird von den beiden als entwürdigend empfunden, da hier die üblichen Stereotpye (Elendssiedlung, Arbeitslosigkeit, Alkohol) auftauchen. Mitleid erwecken ist eine Sache, doch die Würde der Dargestellten wahren, ist eine andere – beides zusammen wird selten genug erreicht. Hier sehe ich bei vielen Spendenorganisationen Verbesserungsbedarf. Siehe dazu auch das Projekt „White Charity“, eine Dokumentation darüber, wie Spendenwerbung deutscher Organisationen rassistische und koloniale Stereotype fördert.

SpenderInnenbildung

In Deutschland gibt es wenig Informationsangebote für SpenderInnen. Es gibt das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI), das ein Spendensiegel vergibt und eine Datenbank mit von ihm für seriös und weniger seriös eingeschätzten Organisationen hat. Das kann ein erster Anhaltspunkt sein – wichtig ist aber auch, auf das eigene Bauchgefühl zu vertrauen und kritische Nachfragen zu stellen. Werden diese abgeblockt oder unzureichend beantwortet, kann das ein Warnhinweis sein. Das DZI schaut sich v.a. die Zahlenseite der jeweiligen Organisationen an.

Der englischsprachige Blog „Good intentions are not enough“ ist eine exzellente Quelle der SpenderInneninformation und richtet sich an alle, die gerne „richtig“ spenden möchten. Leider hat die Betreiberin Saundra Schimmelpfennig gerade das Ende des Blogs angekündigt, die Website bleibt aber noch bis Ende 2013 online. Unter anderem gibt es Beiträge darüber, warum kein Zusammenhang zwischen der Höhe von Verwaltungskosten und der Qualität der Arbeit einer Organisation besteht, wie man rasch den Sinn oder Unsinn eines Hilfsprojektes einschätzen kann oder  darüber, dass es oft Organisationen sind, die Bedürfnisse entstehen lassen, und weniger die „EmpfängerInnen“ sowie viele weitere lesenswerte Beiträge.

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