„Auf einem einschlägigen Buchcover sollte nie ein ordentlich angezogener afrikanischer Mann oder Frau zu sehen sein, es sei denn sie oder er hat den Nobelpreis gewonnen. Eine AK-47, hervorstehende Rippen, nackte Brüste: Verwenden Sie dies. Wenn doch ein/e Afrikanerin sein muss, dann nehmen Sie eine/n in Maasai, Zulu oder Dogon-Tracht.“
So ein kurzer Auszug aus „How to write about Africa“, 2005 vom kenianischen Schriftsteller Binyavanga Wainana verfasst. Darin nimmt er die gängigen Afrikaklischees auseinander, die westliche Berichterstattung aber auch Filme und Bücher über Afrika prägen. Im deutschsprachigen Kontext sind „Die weiße Maasai“ oder diverse „Mein Herz in Afrika“-betitelte TV-Filme Beispiele dieses Afrikabildes.
Die Diskussion über die „richtige“ Darstellung von Afrika wird immer wieder geführt, ohne jedoch, dass sich viel ändert. Auch ich schreibe des Öfteren darüber, weil ich das gängige Afrikabild in den deutschen und westlichen Medien sehr eindimensional und der Wirklichkeit gegenüber nicht angemessen empfinde. Allerdings werde auch ich dem nur unzureichend gerecht. Ich lese hauptsächlich englisch- und deutschsprachige Medien, gelegentlich Französisch oder Kiswahili (was ich beides weit weniger gut beherrsche). Auch lese ich mehr westliche Zeitungen (z.B. taz, SZ, BBC, Guardian) als afrikanische (z.B. The East African, The Citizen).
Ausgelöst durch die Kony 2012-Kampagne läuft derzeit einmal mehr eine (vorwiegend englischsprachige) Diskussion zwischen BloggerInnen, WissenschaftlerInnen, SchrifstellerInnen und JournalistInnen darüber, wie über Afrika geschrieben wird und was sich daran ändern sollte.
Die Rolle der AuslandskorrespondentInnen: Verloren auf einsamem Posten?
Die amerikanische Politikwissenschaftlerin Laura Seay schrieb kürzlich, dass Berichterstattung über Afrika-bezogene Themen zumeist von „faktischen Fehlern, unvollständigen Analysen und Sterotypen gekennzeichnet“ ist, die Zeitungsredakteure bei Berichterstattung über andere Länder nicht durchgehen ließen. Dies liegt unter anderem, so Seay, daran, dass zumeist nur ein/e KorrespondentIn pro Medium für den gesamten Kontinent zuständig ist. Man stelle sich vor, von Berlin aus die gesamte Europaberichterstattung für ein afrikanisches oder US-amerikanisches Medium zu leisten.
In seiner Antwort an Seay wehrt sich der Journalist Tristan McConnell, Korrespondent der GlobalPost in Nairobi, dagegen, AfrikakorrespondentInnen pauschal als nachlässig und ignorant zu kritisieren. Stattdessen schreibt er, dass er und viele seiner KollegInnen, die Situationen und Menschen über die sie berichten, durchaus gut kennen und oft bereits jahrelang vor Ort sind – anders als WissenschaftlerInnen wie Seay, die vorwiegend aus ihrem akademischen „Elfenbeinturm“ heraus kritisierten.
Zu große Nähe zwischen JournalistInnen und Hilfsorganisationen
Vor wenigen Tagen erschien dann ein weiterer Text von Binyavanga Wainana, ein „Leitfaden für Anfänger“ in der Afrikaberichterstattung. „Afrikanerinnen“, so der Autor, wollen als Gleiche dargestellt werden, nicht als Objekte der Hilfsindustrie. Wainana ist es leid, dass Afrika immer wieder mit den gleichen gängigen Klischees dargestellt wird, sei es in Romanen, Filmen oder im Journalismus, dem seine aktuelle Kritik besonders gilt.
Dies liegt, schreibt er, daran, dass „Afrika mit dem Ende des kalten Krieges aufhörte zu existieren“. Mussten die Länder Afrikas zuvor ernst genommen werden, da sie entweder Verbündete oder Gegner waren, so ist die Welt nun „sicher“ und die Hilfsorganisationen haben den Kontinent übernommen. „Will eine KorrespondentIn wissen, was im Sudan los ist, erfährt sie es beim wöchentlichen Mittagessen mit dem Oxfam-Mitarbeiter.“
Wainana und auch die zuvor erwähnten AutorInnen beklagen alle eine zu große Nähe von JournalistInnen zu Hilfsorganisationen, durch die Berichterstattung immer einseitig von den Botschaften der Organisationen gefärbt ist, die leider meist weniger auf die Erfolge ihrer Arbeit verweisen, sondern stattdessen zwecks Spendensammeln in westlichen Ländern vor allem auf Katastrophenberichterstattung angewiesen sind.
Für JournalistInnen, die alleine einen gesamten Kontinent abdecken sollen, sind die Organisationen wichtige Unterstützung im Filtern von Nachrichten und bieten ihnen oft Zugang zu Orten, an die sie sonst nicht oder nur schwer gelangen würden.
Dazu kommt, dass die breitere westliche Öffentlichkeit nur gering an Berichterstattung über Afrika interessiert ist. Wenn überhaupt, dann schaffen es lediglich Berichte über Hungerkatastrophen (2011 am Horn von Afrika), Konflikte (Putsch in Mali, Terroristen in Somalia) und HIV/AIDS (immer seltener) in die Medien.
Auch eine mangelhafte Vorbereitung vieler KorrespondentInnen sowie fehlende Unterstützung durch ihre Redaktionen trägt viel zur unzureichenden Berichterstattung bei, wie der Kommunikationswissenschaftler Lutz Mükke schreibt, der die Afrikaberichterstattung in deutschen Leitmedien wissenschaftlich erforscht hat.
Die alten Klischees werden immer aufs Neue reproduziert
So erzeugt das bestehende Bild der „Katastrophen-Kontinentes“ immer aufs Neue sich reproduzierende Bilder über Krisen und Katastrophen. Gleichzeitig werden immer weiter die dieselben alten Klischees des „schwarzen Kontinents“ verwendet, in denen sich kolonialistische Sehnsüchte (Safaritourismus, unberührte Wildnis) mit einer obszönen Faszination von grausamen Kriegsbildern (Völkermord, Kindersoldaten) vermischen.
Lawrence vom Blog „za Kweli“ weist in seinem Beitrag zur Seay/McConnell-Diskussion darauf hin, dass westliche JournalistInnen nie wirklich objektiv sein können, da sie mit den gängigen Afrikastereotypen aufgewachsen seien: „Wenn du aufgewachsen bist mit dem dominierenden Bild von Afrika als von Hunger und Krieg gezeichnet, wie auch mit Reichtümern und wilder Schönheit gesegnet, dann werden deine Artikel diese Stereotype reflektieren.“
JournalistInnen sind sich dessen durchaus bewusst, siehe McConnell oder auch Arne Perras, Korrespondent der SZ, der sich 2010 kritisch mit der Darstellung Afrikas in den Medien auseinandergesetzt hat und darlegt, wie sehr die Wahrnehmung Afrikas immer noch von der imperialistischen Phase des 19. Jahrhunderts beeinflusst ist.
Wie lassen sich Klischees vermeiden? Erkenne die Bilder in deinem Kopf.
Dennoch ist die große Mehrheit der Darstellungen von gängigen Klischees geprägt. Diese entlarvt der Journalist Imran Garda anhand von „9 Merkmalen die erkennen lassen, wenn Afrikajournalismus Müll“ ist. Neben dem „schwarzen Kontinent“ immer wieder das „Herz der Finsternis“ (nach Joseph Conrads gleichnamigem Roman von 1902). Traditionelle „Stämme“, die Tänze aufführen und sich immer einmal wieder, scheinbar aus purer Lust an der Gewalt, abschlachten. Oder Schwelgen über afrikanische Sonnenaufgänge. (Wer, so Garda, würde in einem Bericht über Fukushima über den von Rauchwolken verdunkelten Sonnenaufgang schreiben? Klingt lächerlich – doch geschieht immer wieder wenn afrikanische Szenen beschrieben werden).
Es wird (westlichen) Schreibenden nie möglich sein, sich von Vorurteilen und Klischees loszusagen, zu sehr haben wie sie internalisiert und zu sehr bestimmen sie, was wir wahrnehmen. Gleichzeitig aber ist es die Voraussetzung guter und ausgewogener Berichterstattung, die Filter, welche die eigene Wahrnehmung beeinflussen, zu hinterfragen.
Berichterstattung als Machtfaktor
Die Wirklichkeit, die uns begegnet und die wir darstellen, wird auch nicht nur von den Bildern in unseren Köpfen beeinflusst, sondern auch von Macht und Position – Geschlecht, Alter und Hautfarbe sind z.B. ganz wesentliche Merkmale, die nicht nur beeinflussen, welche Geschichte wir zu hören bekommen, sondern auch wie wir sie verstehen und anschließend darstellen.
Eine junge weiße Journalistin wird aus einem afrikanischen Land anders berichten als ein älterer Journalist, da Alter und Geschlecht vielerorts immer noch sehr stark beeinflussen, wie jemand wahrgenommen wird. Auch andere soziale Merkmale wie ob jemand Kinder hat oder verheiratet ist, spielen in der Begegnung eine sehr wichtige Rolle, auch wenn es meist nur indirekt (durch Fragen nach Ehemann/-frau oder Alter der Kinder) thematisiert wird.
Berichterstattung ist auch ein Machtfaktor. Wer die Deutungshoheit hat, kann dann wiederum bestimmen, was richtig und falsch ist, und vermittelt und was eher nicht beschrieben wird. Somit sind Beiträge wie die von Wainana wichtig, denn sie halten uns westlichen LeserInnen und Schreibenden immer wieder einen Spiegel vor, der uns hilft, kritisch zu hinterfragen, was und wie wir schreiben und wie das diejenigen, über die wir schreiben („die Afrikaner“) wahrnehmen.
Somit ist Binyavanga Wainanas Ärger zu verstehen, der sich dagegen wehrt, dass „Afrikaner“ alle in einen Topf geworfen und pauschal als unmündige HilfsempfängerInnen dargestellt werden. Sein Fazit lautet:
„Es überrascht nicht, dass es inzwischen überall auf dem Kontinent eine große und wachsende Mittelschicht gibt: die Britischen, Amerikanischen und Europäischen Medienverlage haben uns verloren. Stattdessen boomen unsere eigenen und wir schließen Deals mit CCTV (China), und al-Jazeera. Wir fliegen Emirates und Kenya Airways. Und wir machen Deals mit jenen, die in einer gemeinsamen und lebendigen Zukunft die Grunlage für ihr Engagement sehen.“
Quellen
- Imran Garda, 9 Signs the Journalism on Africa You’ve just Encountered is Trash, Huffington Post, 4. Juni 2012 Link
- Tristan McConnell, How do Journalists write about Africa, GlobalPost 29 Mai 2012 Link
- Lutz Mükke, Allein auf weiter Flur: Korrespondenten in Afrika, Aus Politik und Zeitgeschichte 34-35/2009: Entwicklung in Afrika. Link
- Arne Perras, Safari und Massai-Romantik, Süddeutsche Zeitung 28. Mai 2010 Link
- Laura Seay, How not to write about Africa, Foreign Policy Magazine, 25. April 2012 Link
- Binyavanga Wainana, How not to write about Africa in 2012 – A beginner’s guide, The Guardian 3 Juni 2012 Link
- Binyavanga Wainana, How to write about Africa, Granta 92, 2005, Link
- Za Kweli, Toe Dipping and Pontificating, Za Kweli 29 Mai 2012 Link
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