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Chancen und Grenzen entwicklungspolitischer TED Vorträge – Ein Gespräch mit Tobias Denskus

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Die Videos der TED-Talks sind in den letzten Jahren sehr populär geworden, auch in der entwicklungspolitischen Szene. Bei Seminaren und Workshops begegne ich selbst immer wieder neuen Vorträgen, habe selbst auch schon welche in meinen Veranstaltungen eingesetzt und manche „Dauerbrenner“ schwappen immer wieder über die Twitter-Timeline – etwa Chimamanda Ngozi Adichies Vortrag über „The Danger of the Single Story“; fast schon ein Klassiker.

Das ruft nach wissenschaftlicher Analyse und genau dies haben Tobias Denskus und Daniel Esser kürzlich getan. Sie haben 40 entwicklungspolitische TED-Vorträge untersucht und darüber einen Artikel im Journal Communication Theory veröffentlicht. Tobias, Senior Lecturer in Communication for Development an der Universität Malmö, hat mir Näheres dazu erzählt.

Hallo Tobias! Du hast zusammen mit Deinem Kollegen Daniel Esser TED-Vorträge zu entwicklungspolitischen Themen wissenschaftlich untersucht. Was war eure Motivation?

Ich beschäftige mich schon seit einiger Zeit mit digitalen Entwicklungsthemen und wie soziale Medien und traditionelle Entwicklungsdiskurse interagieren. Angefangen habe ich mit einem Projekt zu entwicklungspolitischem Bloggen und Daniel und ich haben Tweets während des Millennium-Gipfels 2010 in New York untersucht . Da war der Sprung zu TED Vorträgen nicht weit. Generell interessiert uns, welche Chancen, aber vor allem Grenzen, digitale Kommunikation im entwicklungspolitischen Bereich hat.

Was habt ihr herausgefunden?

Zunächst einmal haben wir lediglich 40 Vorträge mit klarem EZ-Bezug untersucht. Unsere Aussagen lassen sich nur bedingt verallgemeinern und uns ging es auch nicht um eine Kulturkritik, ob derartige Präsentationen nun ‘gut’ oder ‘schlecht’ sind.

Wir haben die offiziellen Transkripte der Vorträge analysiert. Es ist zum Beispiel auffällig, dass Worte wie ‘inequality’ oder ‘power (relations)’ fast nicht ausgesprochen werden und stattdessen Begriffe wie ‘innovation’ und ‘technology’ sehr häufig den Ton angeben. Komplexe entwicklungspolitische Themen werden in das TED-Format gepresst und das Risiko besteht, dass sie auf einer Bühne aufgeführt werden, anstatt kritischen Dialog zu fördern.

Natürlich ist es erst mal beachtenswert, wenn jemand einen besseren Rollstuhl präsentiert, der das Leben vieler Menschen verbessern kann-ganz praktisch, jeden Tag. Aber von da bis zu komplizierten medizinischen, juristischen und kulturellen Herausforderungen für RollstuhlbenutzerInnen in Entwicklungsländern ist es ein langer Weg. TED will ‘Probleme lösen’ und gerade in der EZ wissen wir, wie schnell derartige Ansätze scheitern können.

Bei TED geht es also nicht nur um den Inhalt, sondern auch um die Aufführung an sich, oder?

Genau. Was sich bei unserer kleinen Studie bereits abzeichnet und von anderen kritischen Kommentatoren betont wird, sind die Rituale um die eigentliche Präsentation herum. Mit Hilfe moderner Technik und professioneller Multimedia-Produktion entsteht eine globale Marke. Das ist ein bisschen wie FIFA und Fußball: Am Ende sehen Weltmeisterschaftsspiele fast identisch aus-egal ob das Ereignis nun in Kapstadt, Rio oder Dortmund stattfindet.

Gleichzeitig werden die Veranstaltungen vor Ort zum Größtenteils von lokalen und globalen Eliten besucht und die Präsentationen sind natürlich auf den Monolog einer einzelnen vortragenden Person fokussiert – eben genau das Gegenteil von den Idealen partizipativer Entwicklungsdiskussionen.

Was sollte man beim Betrachten von TED Vorträgen beachten? Am besten gar keine mehr anschauen?

Ich maße mir kein radikales Urteil an und man muss sicherlich im Hinterkopf behalten, dass man TED nicht überfrachten sollte. Es geht um ‘ideas worth spreading’, um zeitgemäßes Edutainment. Aber bei allen inspirierenden Ideen und intelligenten Präsentationen sollte man im Auge behalten, dass TED eingebettet ist in einen sehr nordamerikanisch geprägten Wohlfühlkapitalismus. Statt sich mit systemischen Problemen auseinanderzusetzen die unbequeme, politische Lösungsansätze erfordern geht es eben um ‘besseren Konsum’, ein ‘nachhaltigeres Produkt’. Und diese Produkte werden eben oft durch Menschen gefördert die Bücher zu dem Thema schreiben oder als Redner professionell auftreten.

Es geht primär um die Rettung des Einzelnen, das klassische ‘vom Flüchtlingskind in Ruanda zur Elite-Uni-Absolventin’-Schema. Für die betreffende Person ist das eine fantastische Möglichkeit Armut und ‘Unterentwicklung’ zu entkommen – aber es sagt eben wenig über die Missstände des Bildungssektors in Ruanda oder den USA, zum Beispiel. Ich glaube, dass TED mittelfristig kritischer und politischer werden sollte denn der auf das Individuum zugeschnittene Diskurs bringt sicherlich keinen sozialen Wandel im größeren Stil.

Wenn wir über den TED-Tellerrand hinausschauen, was hat eure Forschung allgemein zum Verhältnis von sozialen Medien und Entwicklung zu sagen?

Das ist eine gute Frage. Aus Forschungssicht wenig überraschend ist sicherlich, dass das Potential von ‘Web 2.0’ eher überschätzt wird. Traditionelle Strukturen, Organisationen und Entscheidungsgremien sind nach wie vor recht stabil. Mich erinnern die Debatten ein bisschen an die Zeit Anfang der 1990er Jahre als Zivilgesellschaft und NGOs die großen Hoffnungsträger waren und viel von ‘globalem Regieren’ die Rede war. Natürlich haben gibt es Einfluss, aber die Erwartungen an ‘besseres Regieren’ durch ‘außerparlamentarische Opposition’ haben sich nur bedingt erfüllt.

Ich glaube, dass wir in der entwicklungspolitischen Forschung – und ich nehme mich da nicht ganz aus – eher naiv sind, wenn es darum geht, wie sehr ‘die Mächtigen’ an Transparenz, Rechenschaft, offenen Dialogen oder digitaler Kommunikation interessiert sind. Ein paar Budgetdaten online stellen und dann warten, dass Bürgerjournalisten das kritisch analysieren entspricht nicht der Realität. Gleichzeitig zeigt der jüngste Fall vom Daten-Hack des HackingTeam, wie schnell sich digitale Kommunikation auch für Überwachung und Unterdrückung einsetzen lässt.

In vielen Gesprächen in der EZ-community, an denen ich teilnehme, gibt es einen naiven Glauben, dass das ‘Internet Arbeitsplätze schafft’, oder das Internet-Mega-Konzerne mit den besten Absichten in Afrika investieren. Die Debatten die wir heute zu Überwachung, Datenschutz usw. haben, werden wir in ein paar Jahren in Nigeria, Südafrika oder Indien auch haben – der Reiz, digitale Technologien zu kontrollieren ist ein natürlicher Impuls traditioneller Strukturen. ‘Facebook Revolutionen’ oder ‘Hashtag Analysen’ sind attraktiv zu erforschen, bringen Veröffentlichungen und nette Netzwerkvisualisierungen, aber sie bilden eben nur einen sehr kleinen Teil der digitalen Entwicklungen ab.

Du hast jetzt überwiegend kritische Aspekte von TED und sozialen Medien angesprochen, aber gibt es allgemeinere Effekte die über den Aspekt des ‘Verkaufens’ im weiteren Sinne hinaus gehen?

Das ist eine wichtige Frage. Man kann leicht Professionalisierung in allen Bereichen der EZ kritisieren, aber PowerPoint-Folien in Schriftgröße 12 und abgelesene Vorträge sind ja auch keine Alternative. Organisationen – aber auch Individuen – müssen heute ein vernünftiges Maß an Selbstdarstellung mitbringen. Gezwungen zu werden, seine Gedanken und Arbeit in 15 Minuten zusammen zu fassen ist nicht die schlechteste Übung.

Auch wenn am Ende vielleicht ein Gremium hinter verschlossenen Türen entscheidet, soziale Medien können Legitimation von Organisationen stärken. UN Organisationen wie UNICEF, WFP oder UNHCR sind gute Beispiele wie man (auch finanzielle) Unterstützung online absichert. Auf große EZ-Organisationen kommen da noch interessante Kommunikationsherausforderung zu…

Tobias, vielen Dank für das Gespräch und die Einblicke in eure Forschung!

Gerne, Claire. Auf meinem Blog gibt es mehr Informationen, Zugang zu den Artikeln-oder mich einfach direkt anschreiben bei Interesse und Fragen!

TobiasDenskusMAH2014

 

Dr. Tobias Denskus ist Senior Lecturer in Communication for Development, Malmö University

Twitter: @aidnography

Blog: Aidnography

 

 

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