Am heutigen Montag finden in der Demokratischen Republik Kongo, kurz Kongo, Präsidentschaftswahlen statt.
Der Kongo – viele Assoziationen: Joseph Conrads „Das Herz der Finsternis“, die Gräueltaten der belgischen Kolonialherren, Korruption gigangischen Ausmaßes unter Diktator Mobutu (damals hieß das Land Zaire) und der andauernde Bürgerkrieg im Osten des Landes, der seit den 1990er Jahren über vier Millionen Tote gefordert hat.
Der Kongo – in den Augen vieler Europäer eines dieser afrikanischen Länder, deren vertrackte und komplizierte Konflikte irgendwie kaum jemand noch überschauen kann und die ohnehin zur Peripherie der Weltgeschichte gehören. Dies möchte ich zum Anlass nehmen, einige wesentliche Merkmale des Kongo unter der neuen Rubrik „Weltatlas“ vorzustellen. Diese Rubrik wird in unregelmäßigen Abständen erscheinen und vorwiegend afrikanische Länder beleuchten, aber nicht ausschließlich.
DR Kongo – einst und jetzt
Die DR Kongo gehört zu den größten Ländern der Welt und hat gerade den traurigen letzten Platz im Human Development Index 2011 des UNDP belegt. Als 187. von 187 Ländern gilt das Land damit als das am wenigsten entwickelte der Welt.
Die DR Kongo ist das flächenmäßig zweitgrößte Land Afrikas (nur Algerien ist noch größer), verdeutlicht anhand der obigen Europakarte.
Die Staatsgrenzen der DR Kongo stammen, wie die vieler afrikanischer Staaten, aus der Kolonialzeit und wurden Ende des 19. Jahrhunderts von den europäischen Mächten ausgehandelt.
Der Name Kongo geht auf das Königreich Kongo zurück, das im 14. Jhd. gegründet wurde und über mehrere Jahrhunderte eines der größten und mächtigsten Königreiche auf dem Kontinent war. Dessen Niedergang setzte nach dem Kontakt mit den Portugiesen ein, die sich jedoch nicht als Kolonialmacht etablierten.
Auf der Berliner Kongokonferenz von 1885 sicherte sich der belgische König Leopold II. den Kongo als Privatbesitz. In der Folge wurde das Land, reich an Kautschuk und Elfenbein rücksichtslos ausgebeutet. Die grausame Behandlung der Bevölkerung nahm solche Ausmaße an, dass sich ab etwa 1900 immer mehr Druck auf den König ausgeübt wurde und die Kolonie an den belgischen Staat abgegeben wurde.
Im Zuge der Unabhängigkeitsbesrebungen vieler afrikanischer Staaten formierte sich auch im Belgisch Kongo eine solche Bewegung und 1959 zogen die Belgier ohne Übergabepläne recht spontan aus dem Kongo ab. Sie hinterließen ein fast unentwickeltes Land, das alleine auf den Rohstoffexport für die belgische Staatskasse ausgerichtet war. Eine gut ausgebildete lokale Elite gab es nicht, nur 14 Universitätsabsolventen gab es 1959. Auch existierten weder eine nennenswerte Infrastruktur noch ein staatliches Bildungswesen – katholische Missionsschulen waren wesentliche Träger der Grundbildung.
DR Kongo nach der Unabhängigkeit
Wie viele ehemalige Kolonien fand sich der Kongo nach der Unabhängigkeit in einer Welt voller Widersprüche und Probleme wieder. Die Politiker, die die Unabhängigkeit ihres Landes erkämpft hatten, wollten moderne Staaten nach westlichem Vorbild aufbauen, doch es gab weder eine entsprechende demokratische Tradition, noch infrastrukturelle Voraussetzungen, mit denen der Staat seine Aufgaben hätte umsetzen können.
Dazu kam der Kalte Krieg, den die Gegner USA und Sowjetunion auch in Afrika austrugen und zwar mit dem Mittel der Entwicklungshilfe. Unter anderem unterstützten die USA den Diktator Mobutu aus Angst, der Kongo könne sich der Sowjetunion zuwenden. Nach 1990 ließen sie ihn fallen, doch erst nach mehrjärigem Bürgerkrieg wurde er 1997 von Laurent Desiré Kabila gestürzt.
Mobutu profitierte von den ungeheuren Rohstoffvorkommen des Landes. Diamanten, Gold und Kupfer waren die Hauptexportprodukte, deren Erlöse der Diktator jedoch nicht für den Ausbau der Infrastruktur des Kongo einsetzte, sondern auf seine Privatkonten im Ausland transferierte. Das Land blieb in weiten Teilen arm.
DR Kongo heute
Nachdem Laurent Kabila 2001 von seinem Leibwächter erschossen wurde, übernahm sein Sohn Joseph das Präsidentenamt. Er gewann die Präsidentschaftswahl von 2006 (die von EU und UN in großem Ausmaß unterstützt wurde) und stellt sich am heutigen Montag zur Wiederwahl.
Zur Wahl stehen drei Kandidaten: Kabila, außerdem Etienne Tshisekedi, ein Veteran der Unabhängigkeitsbewegung, der es mit 78 Jahren noch einmal wissen will sowie Vital Kamerhe, ehmaliger Mitarbeiter Kabilas.
Da sich die Opposition nicht einig ist, halten es viele Beobachter für wahrscheinlich, dass Kabila die Wahl erneut gewinnen wird, auch deswegen, weil es nach einer Verfassungsänderung keine Stichwahl mehr geben wird.
Herausforderungen bei der Wahl
Angesichts der schieren Größe des Landes und der immer noch vollkommen unzureichend ausgebauten Infrastruktur ist es eine ungeheure Herausforderung, in diesem Land eine Wahl zu organisieren. Über 63.000 Wahllokale müssen eingerichtet werden und Stimmzettel für über 32. Millionen Wahlberechtigte müssen gedruckt und verteilt worden sein. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann mal wohl davon ausgehen, dass hier Unregelmäßigkeiten passieren werden.
Auch im Lauf des Wahlkampfs kam es immer wieder zu Ausbrüchen von Gewalt bis hin zu Toten. Etienne Tshisekedi wurde schließlich von der Polizei daran gehindert, an der geplanten Abschlusskundgebung seiner Kampagne teilzunehmen, wie die taz berichtet.
Weitere Informationen
Es bleibt also spannend – und zu hoffen, dass nicht noch mehr Menschen an der Gewalt rund um die Wahlen sterben oder, noch schlimmer, es zu größeren Ausschreitungen während oder nach den Wahlen kommen wird.
Die taz hat eine sehr gute Berichterstattung durch ihren Korrespondenten und Kongo-Experten Dominic Johnson, der zur Zeit vor Ort ist und darüber täglich bloggt.
Ein guter englischsprachiger Blog ist Texas in Africa (hier erscheinen auch immer wieder gute Informationen zu Ruanda)
Gute Bücher, die ich zum Thema gelesen habe, sind u.a.:
Dominic Johnson Kongo: Kriege, Korruption und die Kunst des Überlebens
Adam Hochschild King Leopold’s Ghost: A story of greed, terror and heroism [deutsch: Schatten über dem Kongo: Die Geschichte eines der großen, fast vergessenen Menschheitsverbrechen]
Michela Wong In the Footsteps of Mr. Kurtz: Living on the brink of disaster in Mobutu’s Congo [deutsch: Auf den Spuren von Mr. Kurtz, leider vergriffen]
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