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Was ist los im Südsudan?

Am 9. Januar jährt sich zum ersten Mal der Tag, an dem die Südsudanesen aufgefordert waren, in einem Referendum über eine mögliche Unabhängigkeit ihres Landes vom Nordteil des Sudan zu entscheiden. Nachdem sich eine große Mehrheit dafür entschied, wurde der Südsudan am 9. Juli 2011 ein unabhängiger Staat.

Viele BeobachterInnen begleiteten und begleiten den Friedensprozess innerhalb des vormaligen Sudan – nun der zwei Staaten Sudan und Südsudan – kritisch und es scheint, dass der Südsudan immer instabiler wird. Diente zuvor die gemeinsame Abneigung der meisten Südsudanesen gegen den Norden dem Zusammenhalt, so intensivieren sich innerhalb des unabhängigen Südsudan nun viele lange bestehende Konflikte und Konfliktlinien wieder.

In dieser Woche melden verschiedene Medien, dass es 3.000 Tote bei einem Zusammenstoß zwischen Angehörigen der Ethnien der Lou-Nuer und Murle im Bundesstaat Jonglei gegeben habe, darunter rund 2.200 Frauen und Kinder.

Ende Dezember haben 6.000 bewaffnete Lou-Nuer die Stadt Pibor im Nordosten des Südsudan überfallen und dabei zwischen 20.000 und 50.000 Murle vertrieben, meldet reliefweb.

http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-16427732

Dies ist der letzte Vorfall innerhalb einer Spirale der Gewalt zwischen Lou-Nuer und Murle; vor einigen Monaten töteten Murle rund 600 Lou-Nuer während eines Angriffs.

Solche innergesellschaftlichen Konflikte sind im Südsudan an der Tagesordnung, und brechen immer weiter auf, je weniger Bedeutung ein gemeinsamer Feind, wie es zuvor der arabische Norden des Sudan darstellte, für die Südsudanesen hat.

Die BBC beruft sich auf Schätzungen der UN, wonach alleine in 2011 rund 350.000 Südsudanesen infolge ähnlich gelagerter Konflikte zu Vertriebenen im eigenen Land wurden.

Eskalation der Gewalt durch Kleinwaffenverbreitung

Im Fall der Murle und Lou-Nuer geht es seit Jahren um Viehdiebstähle. Eine Gruppe stielt Vieh von den anderen, es erfolgt Rache, das Vieh der Gegner wird wiederum gestohlen, und so weiter. Eine ähnliche Konfliktdynamik besteht zwischen vielen sogenannten pastoralisten in Ostafrika, Gesellschaften, die halbnomadisch leben und in denen Vieh eine sehr große Bedeutung für Status und als Kapitalanlage hat. Brautpreise werden mit Vieh bezahlt und wer keines hat, besitzt quasi keinen gesellschaftlichen Status mehr.

Viele benachbarte Gruppen stehlen sich seit Jahrzehnten gegenseitig ihr Vieh, oftmals war das ein Initiationsritus, in dem sich jüngere Männer beweisen mussten. Das führte nicht notwendigerweise zu vielen Toten, da die übliche Bewaffnung aus Speeren und Messern bestand.

Mittlerweile ist die Dichte an Kleinwaffen – was ein verharmlosender Begriff ist, siehe verlinkte Wikipedia-Definition – in Sudan, Kenia, Äthiopien und Uganda derart groß, dass die Viehdiebstähle in Gewaltorgien eskalieren, mit den entsprechenden Anzahlen an Toten.¹Diese Waffen und die entsprechende Munition kann sich jede_r auf jedem besseren Dorfmarkt besorgen.

Dadurch, dass fast alle Menschen Waffen besitzen, werden traditionelle Konfliktlösungsmechanismen untergraben; oft gab es z.B. Ältestenräte, die Konflikte lösten, Strafen verhängten und deren Autorität von allen anerkannt wurde. Wer eine Kalaschnikow trägt, der lässt sich aber nicht unbedingt mehr etwas von den Ältesten sagen.

Gerade im Südsudan hat der jahrzentelange Bürgerkrieg überdies dazu beigetragen, die Menschen zu militarisieren, gesellschaftliche Strukturen zu schädigen und ein allgemeines Klima der Gewalt und Rechtlosigkeit zu befördern.

Zwar gibt es in allen Staaten Programme zur Entwaffnung, im Südsudan etwa existiert ein Programm zur Demobilisierung der früheren Bürgerkriegskämpfer. Allerdings fördert dies in vielen Fällen eher die Gewalt; Angehörige der Murle berichten in der erwähnten Studie, dass entwaffnete Gemeinden in der Folge als schutzlos gelten und oft überfallen werden.

In 2011 stationierte die UN zeitweise Truppen in sogenannten TOBs (Temporary Operating Bases) in Jonglei, einem Bundesstaat, in dem mehrere Milizen Krieg gegen die südsudanesische Regierung führen. Doch da der Betrieb der TOBs teuer und logistisch aufwändig war, wurde diese Maßnahme wieder eingestellt. Die Autoren der Studie von Minority Rights Group International, Laura A. Young und Korir Sing’Oei merken jedoch an, das jedoch die dauerhafte Präsenz internationaler UN-Truppen eine erfolgreiche Intervention war und fortgeführt werden müsste, um den Kreislauf der Gewalt in Jonglei zu durchbrechen.

Es bleibt abzuwarten, ob sich infolge des jüngsten Massakers die internationale Gemeinschaft bereit erklärt, die UNMISS, die Mission der UN im Südsudan, entsprechend finanziell besser auszustatten, damit der Friedensprozess dauerhaft unterstützt werden kann.

¹  Eine aktuelle Studie zum Thema ist „Land, livelihoods and identities: Inter-community conflicts in East Africa“ herausgegeben von Minority Rights Group International, die auf einer Feldforschung von 2011 basiert und Konflikte im Südsudan, Kenia und Uganda analysiert, und die hier heruntergeladen werden kann.

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